19.09.2013

Kambodscha

12.9.-19.9.2013

Meine Ankunft in Pnom Penh schockt mich. Ich weiß nicht, ob ich jemals in einer so vollgestopften, dreckigen, unattraktiven Stadt war (die lateinamerikanischen Großstädte haben wir ja gemieden – die würden Pnom Penh in dieser Hinsicht vermutlich Konkurrenz machen).
Mit dem Tuktuk geht es vom Flughafen etwa eine Stunde durch den Stop-and-Go-Stau. Ich kann kaum atmen, so verschmutzt ist die Luft. Fahrspuren sind nicht zu erkennen, jeder fährt und steht, wie es ihm gerade passt. Ich bin froh, als ich im Mad Monkey Hostel ankomme. (6,- USD pro Nacht im Dorm mit Klimaanlage, Warmwasser, gutem WiF, Dachterrasse und leckerer Küche. Die gebräuchliche Währung in Kambodscha sind US Dollar, Wechselgeld erhält man teilweise auch in der nationalen Währung Riel, sodass man immer noch ein wenig mehr rechnen muss als sonst.) Hier treffe ich auf Chloé aus England, mit der ich am nächsten Tag die Khmer Rouge Vergangenheit von Pnom Penh erkunde.
Wir fahren zu einem Killing Field (“ Tötungsfeld“), der hiesigen Variante eines KZ und anschließend ins ehemalige Foltergefängnis S21. Ich bin tief erschüttert über das, was ich hier sehe und werde dies auch in meiner restlichen Zeit in Kambodscha nicht wieder los. Innerhalb von 3 Tagen hatten die Roten Khmer 1975 die Stadt erobert und alle ihre Einwohner aufs Land vertrieben zum Reisanbau. Pol Pot, der paranoide Anführer der Khmer Rouge veranlasste in 4 Jahren Terrorherrschaftszeit die Tötung von 3 Millionen Kambodschanern. Das sind 40% der damaligen Bevölkerung des Landes. Getötet wurden die „Staatsfeinde“ auf mehr als 300 Killing Fields im Land zumeist mit Hacken, Spaten, Beilen, Äxten, Stöcken… erschlagen, nachdem sie vorher gefoltert wurden. Zu den dröhnenden Klängen sozialistischer Marschmusik, die ihre Schreie übertönen sollte und die die Gehirnwäsche der Soldaten unterstützte. Männer, Frauen, Kinder. Und dann in Gruben verscharrt.
Ich muss hier weg, raus aus dieser Stadt, die nichts lebenswertes zu haben scheint.

Über Nacht fahre ich mit einem Liegebus nach Siem Reap. Ich liege glücklicherweise neben einer Portugiesin. Chloé hat weniger Glück und muss sich mit dem völlig anderen Distanzverständnis der Kambodschaner abfinden. Sie wird von ihrer Liegennachbarin des nachts umklammert als wären sie sich mehr als vertraut.
Es regnet in Siem Reap, aber wir wollen uns trotzdem die Tempel von Angkor anschauen und leisten uns daher ein Tuktuk samt Fahrer. Die Ruinen sind beeindruckend. Ein riesiges Gelände, das nicht an einem Tag zu schaffen ist, wenn man alles sehen will. Ich kaufe mir dennoch nur ein Eintagesticket, denn nach all den alten Steinen der letzten Monate bin ich nur noch begrenzt aufnahmefähig. Der Regen hört am späten Vormittag auf, aber auch vorher schon klettern wir in den Ruinen herum. Es ist unvorstellbar, wie florierend das hier mal ausgesehen haben muss, als dieser Ort zwischen 600 und 1400 nChr. bewohnt war und gebaut wurde und die Kambodschaner (Khmer) die gesamte Region inkl.Thailand und Vietnam dominierten und beeinflussten. Ich sehe die Ruinenstadt von Angkor Thom, den verwunschen wirkenden Tempel Ta Prom und schließlich den weltberühmten Tempel-Komplex von Angkor Wat. Irre. Es erinnert mich an Tikal, die Mayastadt in Guatemala.
Siem Reap als Städtchen ist auch sehr süß mit hübscher französisch-kolonialer Architektur, kleinen Gässchen, vielen Restaurants und zwei Märkten. Und so flaniere ich – wenn es gerade mal nicht regnet – durch die Straßen. Mein Hostel (auch hier Mad Monkey, das Schwesterhostel des Pnom Penher Hauses) ist gut fußläufig zum Stadtkern gelegen. In Siem Reap und Angkor ist Kinderarbeit ziemlich angesagt. Selbst die 5-jährigen versuchen hier gnadenlos, ihre Armbändchen, Postkarten oder Tücher zu verkaufen. Oder mit ihren jüngeren Geschwistern auf dem Arm um Essen zu betteln.

Da es immer wieder mal regnet, entscheide ich mich für eine Busfahrt nach Battambang, meiner nächsten Station. Die schönere (aber auch sehr viel teurere und längere) Bootsfahrt dorthin „opfere“ ich der Regenzeit. Vielleicht ist die jährliche Regenzeit auch der Grund, weshalb die kambodschanischen Häuser außerhalb der Städte allesamt auf Stelzen gebaut sind.
Nach Battambang fahre ich, weil es so schöne Architektur haben soll.
Hm, ich sehe nur ziemlich heruntergekommene Häuser, die sicher mal schön waren. Den Charme dieser Stadt finde ich nicht. Aber ich treffe in meinem Hotel Chhaya (2,- USD Dorm, 4,- USD Einzelzimmer) auf zwei nette Reisende, mit denen ich mich abends unterhalten kann.
Eine Fahrt mit dem einst traditionellen, heute nur noch touristisch genutzten Bambuszug (eine Art motorbetriebene Draisine) führt mich in das nächstgelegene Dorf und zeigt mir ein weiteres Stück Armut zwischen unendlichen Reisfeldern, am Horizont von Bergen gesäumt. Auch hier verkaufen Kinder Armbänder und zeigen den Touristen die Reisfabrik und die Ziegelei. Sie wissen zu berichten, dass viele Erwachsene zum Arbeiten nach Thailand gehen.

Ich verlasse Battambang Richtung Kampot. Da soll’s schön sein. Nach 13 h Fahrt inkl. umsteigen in Pnom Penh komme ich im strömenden Regen an. Die Fahrt übers platte Land zieht sich. Die letzten 3 Stunden fahren wir auf einem planierten Weg, der wohl vielleicht mal eine Straße werden soll. Bei dem Regen ist der unbefestigte Untergrund teilweise eher ne Matschgrube als ne Straße, aber wir kommen heil und ohne stecken zu bleiben in Kampot an. Unterwegs habe ich das zweifelhafte Vergnügen, hinter einem Mann zu sitzen, der sich auf seinem Computer stundenlang Pornofotos anschaut. Es dämmert draußen und sein Bildschirm spiegelt sich im Fenster. Entweder, er fühlt sich vollkommen unbeobachtet oder es ist ihm vollkommen egal, dass er nicht allein ist. Das Nutzen von Prostitution gehört unter kambodschanischen Männern zum Alltag, erfahre ich später. Pornos gucken dann ja vielleicht auch.
Der Regen hört auch leider am Folgetag nur zwischenzeitlich mal auf. Ich sehe mich in dem Örtchen um und kann ganz entfernt erahnen, dass das Städtchen Atmosphäre hat mit seiner Flussuferpromenade. Aber eigentlich ist auch hier alles recht heruntergekommen und ärmlich. Hier gönne ich mir eine Blindenmassage – ein ganz großes Geschäft in Kambodscha. Abgesehen von offensichtlich vielen Sehbeeinträchtigten gibt es auffällig viele körperlich Versehrte in diesem Land. Meistens sind Gliedmaßen amputiert. Das liegt wohl an den etwa 6 Millionen Landminen, die sich immer noch im ganzen Land verstreut befinden. Der Vietnamkrieg, bei dem Teile Kambodschas zum Kollateralschaden wurden und die vietnamesische Rolle bei der Beendigung der Khmer Rouge Diktatur sind wohl Hauptverursacher der flächendeckenden Verminung.
Ich bleibe zwei Nächte in Kampot (Long Villa Guesthouse, 5,- USD/Nacht im Einzelzimmer) bis zu meinem Abflugtag und vermeide so eine weitere Übernachtung in Pnom Penh.

Ich freue mich, nach Thailand zurückzukehren und muss abschließend sagen, dass ich nicht bereit war für dieses Land und meine Zeit hier war zu kurz, um mich einzulassen. Den Reiz des Landes machen sicher nicht die Städte aus, bei einer nächsten Reise hierher würde ich mir mehr vom Land und der Natur ansehen.

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