21.08.-01.09.2013: Bali, Sumbawa
Nach Sri Lanka geht es für Veit wieder über Singapur zurück nach Indonesien. Sri Lankas Wellen waren ganz gut, aber mit den Wellen von Indonesien können sie hinsichtlich Größe und Power nicht mithalten. Bevor es nach Hause geht, will ich nochmal spektakulärere Wellen surfen. Also zurück nach ‚Indo‘.
Von Bali aus möchte ich nach Sumbawa reisen. Diese Insel liegt östlich von Lombok und ging mir nicht aus dem Kopf. Ziel ist Lakey Peak im Süden. Von dem Spot hatten mir andere Surfer immer mal wieder vorgeschwärmt. Neben dem Hauptspot gibt es 6 weitere Breaks in unmittelbarer Nähe. Außer passionierte Surfer verirren sich allerdings noch kaum ausländische Touristen hierhin.
In Bali angekommen, recherchiere ich zwischen den Surfsessions zum Spot. Auf der einen Seite findet man im Internet reißerische Artikel über testosterongesteuerte, aggressive Surfer, entsprechend schlechte Atmosphäre im Wasser und Riesenwellen, die zahlreiche gebrochene Bretter hinterlassen. Auf der anderen Seite gibt es Blogeinträge auf deutschen Surferseiten, die sich moderater anhören. Nachdem ich eine Weile Hin- und Hergerissen bin (soll ich wirklich hinfahren?) entscheide ich mich, mir selbst ein Bild zu machen. Auch die Wellenvorhersage für diese Woche sieht gut aus. Auf geht’s nach Sumbawa!
Ich überlege zuerst, mit Fähren und Bussen hinzureisen, stelle dann aber fest, dass das weder viel billiger, noch besonders schnell ist. Man braucht mindestens zwei Tage.
Also entscheide ich mich fürs Fliegen mit einer indonesischen Airline. Das löst bei mir und Anne, mit der ich dazu chatte, wiederum keine besonders guten Gefühle aus. Besonders Lion Air hat keinen guten Ruf. Im April 2013 stürzte eine Maschine im Anflug auf Denpasar ab (die Maschine zerbrach in 2 Teile, alle Passagiere überlebten aber). In 2012 wurden 3 Piloten verurteilt, weil sie auf einer Party beim Konsum von Chrystal Meth erwischt worden waren. Kundenrezensionen im Internet sind auch nicht besonders wohlwollend.
Merpati Airlines, die wohl bessere Airline von beiden, fliegt auch, aber nicht direkt (Zwischenstop in Lombok) und nur bis Sumbawa Besar, das im Westen, 6 Stunden Fahrt von Lakey Peak liegt. Ich will aber nach Bima fliegen, das nur 2 Stunden von Lakey entfernt ist.
Am Ende sitze ich dann doch in der Lion Air Maschine. Die ist brandneu (tolles Wort in diesem Zusammenhang…) und landet nach nur 1 Stunde sicher in Bima. Uff! Auch Anne bekommt eine Nachricht von mir, dass alles gut gegangen ist.
In der Ankunftshalle warten schon die Taxifahrer, die sich auf die Surfer stürzen. Es offenbart sich – und darüber habe ich vorher schon in den Blogs gelesen – dass die Taxifahrten unter Kontrolle der Hotelbesitzer stehen. Der Preis ist festgeschrieben, jedes Taxi kostet gleich viel. Und der Preis ist für indonesische Verhältnisse geradezu astronomisch: satte 708.000 RP/50 EUR für 2 Stunden Fahrt. Das ist teurer als mein Flugticket, das 630.000 RP gekostet hat (one way)! Für mich allein ist das zu viel, doch schnell habe ich ein Pärchen gefunden, mit denen ich das Taxi teilen kann. Alessandro und Eugenia, ein italienisch-russisches Ehepaar aus Sardinien.
Während die beiden in Lakey im Topsurferhotel Aman Gati mit Klimaanlage und Pool absteigen, suche ich mir eine Budgetunterkunft. Und finde eine im Puma, für 80.000 RP im EZ inkl. Frühstück/ 5,50 EUR. Das nenne ich Preis-Wert (Schön sind auch die Holzbungalows von Mona Lisa für den gleichen Preis).
Am Tag der Ankunft mache ich mich mit dem „Ort“vertraut.
Die meisten Unterkünfte sind an der Strandpromenade und in Sichtweite vom Peak. Die Promenade ist allerdings ganz neu: offensichtlich wird der Ort seitens der Tourismusverantwortlichen als förderungswürdig erachtet, so dass neben einer hübsch mit Meeresmotiven versehenen Promenade auch Sonnenschutzpavillions, ein Eingangstor (mit Surferstatue…) und Umkleidekabinen entstehen (wobei ich mich bei letzteren frage, ob diese von den in den Hotels wohnenden Surfern genutzt werden sollen…). Auch die Straße hierhin war frisch asphaltiert.
Ansonsten riecht es hier und da nach Algen: wie auch auf der Insel Nusa Lembongan neben Bali, leben die Einheimischen hier von der Algenernte. Zum Trocknen liegen diese am Ufer und werden später z.B. für die Herstellung von Kosmetika verwendet.
Am heutigen Tag ist der Hauptspot Lakey Peak tatsächlich riesig. ‚Doubleoverhead Sets‘ (Wellen doppelter Kopfhöhe) rollen rein, die definitiv eine Nummer zu groß für mich sind (und das bei einer Vorhersage von 4-5 Fuß). Auch meine Nachbarn lassen mich befürchten, dass die oben genannten reißerische Artikel der Realität entsprechen. Hier ist das Klischee des stereotypen, tätowierten, muskelbepackten Vollblutsurfers anzufinden. Die australischen und amerikanischen Surfer, die gleich jeweils eine Handvoll Bretter dabei haben, sind nicht besonders gesprächig oder auskunftsfreudig und das Vokabular eintönig („Yeah, sick waves, Mate! Siiiick!“). Die weißen überdimensionierten Sonnenbrillen auf sonnengegerbten Nasen werden beim Sprechen grundsätzlich nicht abgenommen. Auch sonst ist die Mehrheit der hier im Ort anwesenden Surfer männlich, wenn Frauen dabei sind, handelt es sich meistens um plastisch-chirurgisch behandeltes Beiwerk.
Ich bin froh, dass dann am nächsten Morgen die Wellen ein bisschen kleiner sind und ich mit Alessandro, meinem netten italienischen Taxikumpan zusammen ins Wasser gehen kann. Da Lakey immer noch zu groß und vor allem zu voll ist, surfen wir Nungas, einen Break 15 min fußwärts nördlich.
Über das vorgelagerte Riff watet man raus, dabei braucht man nicht unbedingt Booties (Neoprenschuhe), da das Riff mit soften Algen bewachsen ist. Dahinter brechen die Wellen. Schöne Walzen von etwa 1-1,5 Meter sind das an diesem Tag, wie aus dem Bilderbuch, manchmal bilden sie auch Tubes. Ich bin das erste Mal happy hier zu sein.
Wie erwähnt, verirren sich bislang nur Surfer hierhin. Das liegt nicht unbedingt daran, dass das kein schönes Fleckchen Erde ist oder dass es sonst nichts zu tun gäbe. Außer Surfen kann man schnorcheln, spazieren gehen, touren mit dem Fahrrad oder dem Moped unternehmen (ok, wer das Partytreiben braucht, ist hier falsch). Die Insel ist im Vergleich zu Bali und Lombok etwas trockener, alles wirkt ein wenig ausgedörrt. Doch die Landschaft ist durchaus beeindruckend. Neben schönen, einsamen Stränden (diese sind allerdings i.d.R. palmenlos) gibt es rundum bergisches Land mit Wäldern. Nicht umsonst trägt Sumbawa einen Hirschen als Wappentier. Ich nehme mir vor, noch ein wenig mehr zu sehen, bevor ich zurück nach Bali fliege.
Am dritten Tag surfe ich Lakey Peak. Die Welle ist etwa 400m vom Strand entfernt und man muss auch hier über das Riff gehen bzw. paddeln. Für 50.000 RP (return) bringen einen die Einheimischen auch mit dem Boot raus. Auf dem Riff vor der Welle stehen zwei Türme, die von Bewertungsrichtern bei Wettkämpfen und von Fotografen genutzt werden. Die Welle ist ein sogenannter A-Frame (wie ein A geformt, nach links und rechts surfbar) und hat heute mit etwas über Kopfhöhe eine gute Größe für mich. Zu meinem Glück sind nicht so viele Leute im Wasser. Und ich begreife, was diese Welle so besonders macht: aus dem Nichts erhebt sich die Welle vor dem Riff. Da sie bei der Erhebung bereits steil genug ist, gleitet man bereits in den Takeoff, kurz bevor sie ihre spitze Lippe hinterherwirft. Das macht den Take off relativ einfach, wenngleich die Welle dann schnell steil wird und man aufpassen muss, von ihr nicht abgeworfen zu werden. Ich surfe aber viele Wellen und hole mir etwas Selbstvertrauen.
Nebenan gibt es noch Lakey Pipe, die wie der Name schon sagt, hohler bricht und für Fans des Tuberides ist. Viele Bodyboarder surfen diese kurze Welle (weitere Spotbeschreibungen findet ihr unter dem Menüreiter Surf).
Alessandro und ich surfen in den Folgetagen meistens Nungas und einmal Periscopes. Am letzten Tag sind wir nochmal gemeinsam in Lakey Peak. Die Wellen haben ordentlich Power. So viel, dass ich einen schmerzlichen Verlust hinnehmen muss. Eigentlich will ich schon aus dem Wasser, doch eine große Welle zwingt mich, auf sie zu zu paddeln, damit mich ihre kraftvolle Lippe nicht erwischt. Tut sie aber trotzdem. Sie bricht mir zwar nicht das Brett, dafür haut sie mir die GoPro, meine Sportkamera herunter. Die Welle ist so stark, dass die Halterung zerbricht und das Sicherungsband reisst. Leider war mir das Schwimmerkissen bereits am Vortag im Wasser abgegangen, wodurch die Kamera nun folglich in die Tiefe sinkt. Ich leihe mir noch Schnorchelausrüstung und tauche danach, aber es ist hoffnungslos, Futsch ist die Kamera. Traurig nehme ich Abschied vom Spot und von 300 EUR sowie von zahlreichen unbezahlbaren Videoaufnahmen.
Für die Weiterreise teile ich mir wieder mit Alessandro und Eugenia ein Taxi nach Dampu, dem nächst größeren Ort. Von hier aus gehen Busse von Ost nach West. Ich habe mich entschieden, vom weiter entfernten Besar im Westen und nicht von Bima zurück zu fliegen (mit Merpati Airlines). Die beiden fliegen mit der gleichen Maschine nach Mataram auf Lombok, wo ich auf dem Weg nach Denpasar nur zwischenlanden werde.
Somit haben wir die Gelegenheit, während der 6-stündigen Busreise mehr von der Landschaft und den Orten zu sehen. Wir passieren die sehr große Bucht Teluk Saleh (Fromme Bucht) und fahren teilweise auf bergigen Serpentinenstraßen in höheren Lagen aber meistens auf Meereshöhe. Viele Salzgewinnungsanlagen gibt es hier.
Vorher habe ich von viel Armut Sumbawas gelesen (im Jahr 2011 sollen 20 Kinder an Unterernährung gestorben sein). Diese wird zumindest in den Orten entlang der Hauptstraße nicht offensichtlich. Im Gegenteil, wir werden Zeugen einer Sportveranstaltung, eines Volkslaufes, an denen Männer, Frauen und Kinder teilnehmen, alle uniform in knalligen Trainingsanzügen. Die Teilnahme von Frauen ist für mich ein weiterer Hinweis auf den moderaten Islam Indonesiens.
Wir erreichen Besar und bleiben 1 Nacht (Hotel Dilan, völlig abgerockte und mit 60.000 RP noch zu teure Unterkunft, aber für 1 Nacht geht’s) und einen halben Tag hier. Die größte Stadt Sumbawas (60.000 Einwohner) ist mir auf Anhieb sympathisch. Alles wirkt einigermaßen sauber, es ist mit vielen Bäumen sehr grün und die Menschen grüßen uns absolut unvoreingenommen und immer mit einem Lächeln („Hello Mister!“). Neben Pferdekutschen und Rikschas sehe ich den örtlichen Tennisclub (deren Spieler mich zum Match einladen, leider habe ich kein passendes Schuhwerk an) und den Palast, der noch aus holländischer Kolonialzeit stammt. Hier dürfen wir im dazugehörigen Gehege das Wappentier füttern, Pfleger geben uns ein paar Grünzweige, die wir den Hirschen und Rehen durch den Zaun reichen können.
Fazit: Sumbawa hat sich für mich gelohnt, wegen der Wellen und weil ich einen noch für Viele unbekannten Ort sehen und ich mich als Entdecker fühlen konnte.
Der Surf ist nicht für Anfänger oder mittelmäßige Surfer geeignet, dafür sind Wellen, die alle über Riff brechen, zu heftig. Gute Surfer kommen aber voll auf ihre Kosten (wichtig: Vorhersage checken).
Die Landschaft ist nicht das spektakulärste auf dieser Reise, hat aber ihren Reiz. Berührt haben mich die Authentizität und Freundlichkeit der Menschen. Die Orte und das Ortsleben, wie ich es gesehen habe, sind eine Mischung aus traditionell und modern.
Nächstes Mal würde ich mir auch noch die Westküste ansehen, doch die Wellenvorhersage sagt 11 Fuß voraus, unsurfbar, es sei denn, man ist Big Wave oder Suicide Surfer.
Wermutstropfen dieses Trips bleibt meine verlorene Kamera. Aber wie Buddha sagt: „Befreist Du Dich von Besitz, befreist Du Deine Seele“. Na dann…