31.07.2013

Die Welt auf einer Insel

13.7.-20.7.2013: Mirissa, Haputale, Nurawa Elyia, Yala-Nationalpark

Nach der Ayurvedakur reisen wir ein bisschen durch Sri Lanka. Dabei fallen uns einige Dinge auf, die wir hier mal kurz schildern wollen.
Die Männer und einige ältere Frauen kauen hier auf irgendetwas rum, das ihre Augen und vor allem Zähne und Speichel blutrot verfärbt. Später erfahren wir, dass es sich dabei um Betelnuss handelt, die überall in Südostasien sehr populär ist, weil sie Hunger dämmt, wacher macht und alkoholartige Rauschzustände auslöst. Auf der anderen Seite kann das Kauen der hiesigen Volksdroge zu ernsthaften Vergiftungen und Mundhöhlenkrebs führen. Und es greift das Zahnfleisch an. Das erklärt vermutlich die auffallend schlechten Zähne der älteren Bevölkerung Sri Lankas…

Die britischen Benimm-Dich-Regeln der ehemaligen Kolonialherren machen wir für Annes permanente Betitelung als „Madam“ verantwortlich.

Den Themen Bürgerkrieg und Tsunami begegnen wir immer wieder. So hat der Rezeptionist der Unterkunft in Negombo seine gesamte Familie im Krieg verloren. Vor seinen Augen erschossen: Mutter, Vater, Geschwister. Wir sind mitunter überfordert von den Familientragödien, von denen wir erfahren. Es macht sprach- und hilflos und lässt uns sehr klein vorkommen.
Vermutlich sind es die Religionen, die die Menschen in diesem Land das Weitermachen erleichtern. Hinduismus, Buddhismus, Islam und erstaunlich viel Christlichkeit (sichtbar anhand vieler Kirchen und Friedhöfe) koexistieren hier überall. Das geht nicht immer friedlich zu, aber meistens toleriert man sich.

Besonders hübsch drückt sich die buddhistisch-hinduistische Kleidertradition aus: die Frauen dieser prozentual stärksten Glaubensrichtung tragen allesamt wunderschöne, bunte Kleider, in denen selbst 80-jährige noch wie Prinzessinnen aussehen.
Die traditionelle Kleidung vor allem älterer Männer besteht aus Tüchern, die als bodenlanges Beinkleid um die Hüften getragen werden. Am Oberkörper gibt’s in der Regel ein Hemd. Moderne Männerkleidung fällt durch Mut zu Farbe auf.

Landesweit gibt es den leckersten Schwarztee, den wir je getrunken haben. Selbst Veit wird hier zum Teetrinker. (Abgesehen von der Güte des Tees lässt die Qualität des Kaffees zu wünschen übrig. Den gibt’s nämlich nur von Nestle als lösliche Version. Und die Firma Nestle ist ja eh einer der größten Lebensmittelverbrecher der Welt, denn die Firmenphilosophie bestreitet das UN-Grundrecht des Menschen auf Wasser…). Mitunter schmeckt der heimische srilankische Tee hier wie Karamell. Er wird traditionell mit Milch getrunken, nach Belieben kommt noch Zucker dazu. In Haputale sehen wir uns eine Teeplantage und die dazugehörige Teefabrik an, die hauptsächlich für Lipton, aber auch für Teekanne produziert. Die Briten haben den Teeanbau auf der Insel ins Leben gerufen, nachdem der Kaffeeanbau kläglich an einer Krankheit der Pflanzen gescheitert war. Das war eine sehr gute Entscheidung.

Haputale ist ein kleines Örtchen mit Zugang zum Nationalpark Horton Plains (in dem es nur regnete und die daher eingeschränkte Sicht einen Besuch unnötig machte) und zu den Teeplantagen. Wir sehen die Arbeiter/innen früh am morgen die Teeberge hochstiefeln, maximal Flipflops an den Füßen, während uns mit unseren Socken, Turnschuhen und langer Kleidung schon ziemlich frisch ist. Die vielen Frauen tragen mitunter alte Säcke als Röcke um die Hüften, um sich vor der Kälte zu schützen. Auf den Plantagen gibt es mehrere Arbeitersiedlungen. Die meisten verfügen über Kindergärten und Schulen sowie medizinische Versorgung. Diese ist staatlich, die Betreiber der Plantagen beteiligen sich nicht überall an den Kosten der Gesundheitsvorsorge.

Die Teefabrik arbeitet mit Maschinen, die bei uns doppelten Oldtimerstatus hätten (gibt’s sowas überhaupt?) – sie scheinen vom Anfang des vergangenen Jahrhunderts zu stammen. In Haputale treffen wir auf Ali, einen sehr herzlichen Menschenfreund, der uns in der Pension seiner Schwester unterbringt (ABC Guesthouse, 2.500 Rupien/Nacht mit Terrasse und Warmwasserbad). Er selbst hat in seiner Herberge für heute Nacht kein Zimmer mehr frei. Ali ist unglaublich kommunikativ und vernetzt in Haputale. Das tschechische Hochzeitsreisenpärchen, das Alis letztes Zimmer bekommen hat, treffen wir in den folgenden Wochen immer wieder.

Bevor wir jedoch in Haputale ankommen, sind wir einige Tage in Mirissa im Süden der Insel. Hier wohnen wir ganz einfach im Green Garden Guesthouse für 1.000,- Rupien (= 6,- Eur, Nebensaisonpreis) bei Meththa und Dashana. Mirissa ist sehr verschlafen, aber hat jede Menge Strandrestaurants auf dem von Erosion stark betroffen Strand. Der Tsunami hat das vorgelagerte Riff zerstört und seit dem trägt das Meer zusehends den Sandstrand mit sich davon. Nicht nur für Strandliebhaber schade, sondern auch für die hier eierlegenden Meeresschildkröten, die ihren Lebensraum verlieren. Wir verbringen hier drei Tage noch immer im Ayurveda-Rausch. Morgens als erstes heißes Wasser und ein bisschen Yoga, dann ein Schattenplätzchen am Meer mit Blick auf den hiesigen Surfbreak, der allerdings gerade nicht so gut läuft. Surfsaison ist eher Dezember bis März hier im Süden. Ein Ausflug nach Weligama offenbart uns einen sehr viel größeren Strand und einen vermutlich zur Saison guten Beachbreak. Und einen im Bau befindlichen äußert hässlichen Sündenfall der Marriott-Hotelgruppe. Wie kann man im Jahr 2013 immer noch 70er Jahre Betonhotelklötze an den Strand setzen…!

Von der Südküste machen wir uns auf nach Ratnapura, der Edelsteinhauptstadt Sri Lankas. Hier schauen wir uns die archaischen Minenarbeiten an, mit denen die Juwelen und Halbedelsteine aus der Tiefe der Erde geborgen werden. Spärlich bekleidete, schmächtige, barfüßige Männer graben mit Holzpfählen abgestützte 10m-Schächte in den Boden. Diese sind verbunden mit einem Tunnelsystem (in dem Kerzen den Tunnelarbeitenden anzeigen, ob noch genug Sauerstoff vorhanden ist…). Der mit Hilfe einer handbetriebenen Seilwinde zutage geförderte Schlamm wird später gewaschen in der Hoffnung, in ihm die Steine zu finden. Vor allem Saphire kommen hier vor. Pro Mine arbeiten etwa 10-15 Leute für einen Hungerlohn. Kleine Steinsplitter dürfen sie als Lohnzusatz behalten, um sie auf dem Edelsteinmarkt oder an Touristen verkaufen zu können. Und so kommt es, dass wir unverhofft Eigentümer von Edelsteinsplittern werden. Naja, ob die echt sind oder aus Plastik, können wir nicht beurteilen. Und wir wollten auch eigentlich nur ein Trinkgeld dalassen und keine Splitter erwerben, aber die Ehre der Arbeiter verbietet wohl die Annahme von „Almosen“ und so müssen wir die Splitter mitnehmen.
Das Angebot des Edelsteinhändlers, der uns hergeführt hat, für ihn Steine in Deutschland zu vertreiben, lehnen wir aber entschieden ab :-).
Im Sun Shine Gem-Museum von Mr. Ubesiri erfahren wir viel über Edelsteine und darüber, dass Ratnapura komplett untertunnelt ist – was dem ein oder anderen Gebäude durch nachsackende Erdschichten Risse verpasst.

Von Ratnapura aus geht es mit dem Bus nach Haputale und von dort mit dem Zug weiter nach Nuwara Eliya.

Busfahren ist in Sri Lanka sehr unbequem wegen schmaler, enger Sitze und abenteuerlicher Fahrweise der hin und wieder unter Betelnuss stehenden Fahrer. Oftmals sind die Busse auch megamäßig überfüllt. Und mitunter verstehen wir nicht, weshalb manche Busse an Haltestellen mit wartenden und winkenden Menschen einfach vorbeirauschen. Zugfahrten sind da sehr viel bequemer (außer im Berufsverkehr in der 3.Klasse rund um Colombo).
Wir fahren durch schöne Natur, sehen viele Teeplantagen und Berge. Bis wir nichts mehr sehen, denn kurz vor Nuwara Eliya, das von den Einheimischen nur Nureliya genannt wird, regnet es in stürmischen Strömen.

Unser einziges Ziel im kalten Nureliya ist der Besuch des Restaurants des Hill Clubs, ein Gesellschaftsclub, der aus der Britischen Kolonialzeit übrig geblieben ist und heute noch als Treffpunkt für Diplomaten und „die oberen Zehntausend“ genutzt wird. Veit möchte Anne als nachträgliches Geburtstagsessen hierhin ausführen. Schick gemacht so gut es unsere Reisegarderobe zulässt, machen wir uns abends auf den Weg. Veit trägt eine graue Reißverschlusshose, braune Turnschuhe und ein Hemd – alles bräuchte mal wieder ne Wäsche – und hat sich zur Feier des Tages einen Schnauzer rasiert, denn die Leihjackets im Club stammen aus den frühen 80er Jahren. In seinem etwas zu weiten Jacket mit Schlips und Bart sieht er aus wie die Karrikatur eines Nachrichtensprechers der „Aktuellen Kamera“. Anne trägt ein Sommerkleidchen mit für 2,80 Eur erstandenen passenden Sandalen und ist für 13 Grad Außentemperatur deutlich zu luftig angezogen – aber was wärmeres, ansatzweise salonfähiges hat sie nicht im Rucksack. Wir starten mit einem Sherry als Aperitif in der Clubbar und dinieren anschließend schick im Clubrestaurant bei lauschigem Licht. Die Qualität des Essens ist jedoch (erwartbar…) bescheiden, das 5 Gänge Menü schmeckt uns nicht wirklich (TK-Canelloni als Vorspeise, Gemüsebrühe, viel zu trockener Fisch bzw. Schweinekotelett als Hauptgang und eine passable Eisprofiterole) und wird von einem eher durchschnittlichen Wein begleitet. Aber die Kellner hier tragen weiße Handschuhe – das hilft zwar auch nicht beim Servieren von der richtigen Seite, sieht aber lustig aus. Wir könnten uns totlachen über diese aufgesetzte und doch sehr tollpatschig ausgeführte Etikette.
Nur das srilankische Diplomatenpaar am Nebentisch lässt uns die Albernheiten minimieren, denn die nehmen diesen „Club“ sehr ernst und wir wollen sie auf keinen Fall beleidigen. Den Tee nehmen wir galant im Kaminbereich des großen Raumes ein, bevor wir uns auf den Heimweg machen. Das ist auf jeden Fall eine schöne Episode auf unserer Reise.

Weiter geht’s am nächsten Tag nah Tissamaharama, wo wir eine Safari in den Yala West Nationalpark unternehmen. Hier sehen wir wilde Elefanten, Wasserbüffel, Wildschweine, diverse Vögel, Krokodile und Leguane. Der unangefochtene Star des Naturschutzgebietes, der Leopard, bleibt uns an diesem Tag leider verborgen. Wir heizen von morgens um 5:00 bis abends um 19:00 Uhr durch den Nationalpark, ohne die gepunkteten Großkatzen zu sichten. Dafür sind die Szenen zwischen den Elefanten sehr berührend, die wir aus maximal 10 Meter Entfernung sehen: Eine Mutter mit zwei Kleinen (eines etwa 2-3 Jahre alt, das andere wenige Monate alt), die miteinander spielen und das Kleinste vor den Krokodilen schützen, zwei männliche Elefanten, die genüsslich baden und miteinander kommunizieren… Es sind tolle Bilder.
Die Landschaft hier erinnert viel mehr an Afrika, als an Asien und so kommen wir zu dem Schluss, dass die ganze Welt in Sri Lanka zu finden ist: das britsch-regnerisch-kalte Hochland, Steppe im Südosten, Tropen im Südwesten – und all das auf einer Fläche so groß wie Bayern.

Von Tissamaharama (Unterkunft: Reginas, 1.500,- Rupien/ Nacht mit eigenem Bad) machen wir uns auf nach Aurugam Bay im Osten der Insel. Luftlinie wären es wohl nur 60 km, aber zwischen Tissa und Arugam liegt der komplette Yala Nationalpark, den wir umfahren müssen. Das dauert mit dem Bus und mehrfachem Umsteigen etwa 5 Stunden. Die Verbindungen sind trotz Feiertag ziemlich nahtlos und stressfrei.
In Arugam Bay wollen wir hauptsächlich surfen, es ist ja schließlich DER Surferort schlechthin um diese Jahreszeit hier auf der Insel.
Außerdem freuen wir uns auf eine fast mückenfreie Zone. In Sri Lanka sind die Mücken gnadenlos und lassen sich weder durch Anti-Mücken-Spiralen noch durch lange Kleidung vom Stechen abhalten. Das hat in Kombination mit starkem Mückenspray bisher auf der Reise immer geholfen, aber in Sri Lanka ist das nicht so einfach. Außer – warum auch immer – in Arugam Bay, hier gibt’s einfach nicht soviele Stechbiester.

Auf unser Reise werden wir übrigens stets von Beethoven begleitet: „Für Elise“ schallt uns aus jedem Bäckereifahrzeug in ohrenbetäubender Lautstärke als Flötenversion entgegen. Wenn Beethoven das gewusst hätte, hätte er „Für Elise“ wohl nie geschrieben.
Wir vermuten, dass die Rechtefrage bei der Verwendung der Musik genauso unter den Tisch gefallen ist, wie die bei der Verwendung von Fotos von Hollywoodsternchen, mit der hiesige Fotostudios gern für sich werben…

Wir wissen noch nicht, wie lange wir in Sri Lanka bleiben, wir haben noch keinen Weiterflug. Es ist schön hier, also wird der nächste Bericht bestimmt auch von dieser faszinierenden Insel stammen.

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