14.07.2013

Ayurveda – beinahe Wellness

26.06.-13.07.2013: Dikwella

Während Anne’s Zeit in Malaysia und Veit’s gleichzeitiger Reisewochen in Sri Lanka überlegen wir uns, dass wir in unserer folgenden gemeinsamen Zeit in Sri Lanka reisemäßig sehr viel kürzer treten wollen als bisher und die Reise zu uns selbst deutlich in den Vordergrund stellen möchten.
Was kann es da Besseres geben, als eine ayurvedische Panchakarma-Kur, im Mutterland des Ayurveda?

„Ayur Veda“, die Wissenschaft vom Leben, ist die mindestens 5.000 Jahre alte, indisch-singhalesische Volksmedizin. Demnach werden alle Menschen in drei Kategorien (Dosha) geordnet: Vata (Wind, Luft und Äther Pneuma), Pitta (Feuer und Wasser, Chole), Kapha (Erde und Wasser, Phlegma). Gemäß der eigenen körperlichen Konstitution, die im Moment der Zeugung durch die tagesaktuelle Doshagewichtung der Eltern besiegelt wird, gibt es bestimmte Nahrungsmittel, die für einen Menschen zuträglich oder eher schädigend sind. Je besser die Doshas in das Verhältnis gebracht werden, das sie bei der Zeugung hatten, desto ausgewogener und zufriedener und eben auch gesünder ist der Mensch. Diese Ausgewogenheit wird durch Reinigung des Körperinneren, mit bestimmter Nahrung, Dosha-Tees, Naturmedizin und jeder Menge Massagen versucht zu erreichen. Die Ausgewogenheit des Geistes zu erreichen, helfen parallel stattfindendes Yoga und Meditation.

Wir machen uns also auf die Suche nach Möglichkeiten für eine Ayurvedakur. Ganz unserem Naturell entsprechend wird dazu eine Excelliste angefertigt mit allen, weit mehr als 30 gefundenen Anbietern. Wir vergleichen Inhalte, Verfügbarkeiten, Orte und Preise und landen immer wieder bei dem deutschen Anbieter www.vattersgarden.de. Mit denen können wir vereinbaren, dass wir uns die verschiedenen Resorts vor Ort anschauen dürfen und somit ist es Anne’s erste Aufgabe, nach Ankunft in Negombo (dem internationalen Flughafen am nächsten gelegener Ort, der zufällig auch eines der Vattersgarden Ayurveda Zentren beheimatet) sich die Villa Sadana anzuschauen.
Versteckt liegt sie in einer Seitengasse des Ortsteils Negombo Beach und ist mit ihren sechs Zimmern, einem kleinen Pool und Garten ein Kleinod in dem sonst sehr urbanen Ort. Schon schön hier, aber weitere Anlagen möchten wir uns im Süden ansehen, bevor wir uns entscheiden.

Am nächsten Tag treffen Veit und Anne sich in der Hauptstadt Colombo, wo sie als erstes in aller Frühe morgens zum Passbüro gehen, um Anne’s standardmäßiges 30-Tage-Visum in eines für 90 Tage umzuwandeln. Veit hat diesen Prozess schon hinter sich. Wir erreichen das Büro um Punkt 9:00 Uhr und erleben in erster Reihe, wie die Besucher vor den geöffneten Türen des Amtes stehen, während die Mitarbeiter ebenfalls andächtig stehend die Nationalhymne zu hören bekommen, bevor der hektische Arbeitsalltag mit Verklingen des letztes Tons beginnt. Drei Stunden später hat Anne ihr Visum in der Hand und wir machen uns per Zug auf nach Galle im Süden der Insel.

Diese Kolonialstadt ist wunderschön und begeistert uns genauso wie die vielen einheimischen Hochzeitspaare, die die Kulissen der alten holländischen Festung gern für ihre Erinnerungsfotos verwenden.

Tags darauf klopfen wir an die Pforte des Isolabella Resorts in Dikwella, eines weiteren Ayurveda Zentrums von Vattersgarden. Dort stehen wir unangemeldet vor der Tür und lösen zunächst einiges Erstaunen und Aufregung aus. Als die Information gesackt ist, dass wir nur mal gucken und nicht gleich einziehen wollen, wird uns das paradiesische Anwesen gezeigt. Hier können wir uns vorstellen, zu kuren!

Man verspricht uns, die Verfügbarkeiten zu prüfen und wir fahren erstmal einen Ort weiter nach Tangalle, um dort am wunderschönen Medilla Strand in der Unterkunft „Natural Cabanas“ eine urige Bleibe für die Nacht zu finden. Dikwella ist als Ort wenig sehenswert, Tangalle mit seinen drei Stränden und seinen geschmackvollen, einfachen bis mittelpreisigen, aber vor allem naturnahen Unterkünften ist dagegen ein wahres Paradies.
Kaum angekommen, ruft uns das Isolabella-Team an und bestätigt uns den Kurbeginn für den nächsten Tag.
Während wir also auf einer Restaurant-Terrasse am Meer sitzen und unseren Lieben Zuhause per WLAN schnell noch Bescheid geben, dass es uns gut geht und wir ab dem nächsten Tag für 14 Tage nicht online sind (also quasi nur im Notfall übers Handy zu erreichen), denken wir bei dem mächtigen Geräusch der Wellen unweigerlich an den Tsunami, der hier in Tangalle 2004 mächtig gewütet hat. Auch unserem super freundlichen Gastgeberehepaar hatte er die Strandbungalows zerstört. Eine dieser Unterkünfte konnten sie bis heute nicht wieder aufbauen, davon zeugt noch die geflieste Badezimmergrundfläche im Garten, die anderen drei wurden zunächst mit Hilfe einiger Touristen wieder aufgebaut. Malanie und Wilmut (so heißen die beiden) setzen sich beim Abendessen zu uns und erzählen ein bißchen aus ihrem Leben. Fast schade, dass wir nur eine Nacht bleiben können, aber wir freuen uns schon sehr auf die kommenden 14 Tage.

Im Isolabella werden wir mit Blumenketten aus Hibiskus und Frangipani und einem frischen Papayasaft begrüßt.
Unser riesiges, sauberes Zimmer hat Schränke, ein sauberes, warmes Duschbad mit einer verschließbaren Tür, einen Ganzköperspiegel, nen leisen Ventilator, ein dichtes Moskitonetz und eine Terrasse mit Blick zum Meer und dem vorgelagerten Inselchen. Was für ein großartiger Luxus! Gleich am ersten Tag haben wir 4 Massagen und unsere ärztliche Erstkonsultation, bei der auch per Pulsdiagnose unser Doshatyp bestimmt wird. Veit ist demnach ein Pitta-Kapha Typ, Anne ein Vata-Pitta Typ, beide mit dem Pitta als stärkstem Dosha. Die nächsten drei Tage dienen der Reinigung(svorbereitung). Zwei Tage lang bekommen wir morgens um 6:00 Uhr zwei Esslöffel Sesamöl, das uns als Frühstück dient, gemeinsam mit literweise heißem Wasser.
Von 6:30 Uhr bis 8:00 gibt es Yoga und Meditation mit Mr. Garvin, der für seine 76 Jahre zwar noch erstaunlich beweglich ist. Sein Yoga allerdings löst bei Anne zunächst mal Wutwellen aus, weil es mit akkurat ausgeführten Bewegungen, Erklärungen, Korrekturen und dem Zusammenspiel von Atmen und Bewegen reineweg gar nichts zu tun hat. Mr. Garvin hat deutlich mehr Freude bei der Meditationsanleitung, da erzählt der Buddhist viel und es ist spannend, ihm zuzuhören.
Nachdem wir uns also an diese leichte Morgengymnastik gewöhnt haben, können wir aber auch daraus Kraft ziehen, denn immerhin bewegen wir uns und sind wach, wenn die Frühstückszeit (8:00 Uhr) beginnt.
Wie gesagt, vom ersten bis dritten Tag bekommen wir kein Frühstück.

Nach zwei Tagen Öl schlucken haben wir unseren Reinigungstag. Der beginnt mit einer bitter-sauren Flüssigkeit im Teeglas, die abführend wirken soll. Anne’s sensibler Magen hält es nur drei Minuten aus und verweigert dann, sich weiter mit dem Verdauen des ekelhaften Gebräus zu beschäftigen. Stattdessen befördert er die gesamte Flüssigkeit direkt ins Klo – durch den Mund, wohlbemerkt. Daraufhin gibt’s ein paar Kräuterpillen, die den Abführungsprozess ebenso einleiten.
Dann heißt es warten. Und dann beginnt das große Rennen. Glücklicherweise haben Veit und Anne einen unterschiedlichen Rhythmus, sodass der befürchtete Kampf ums Klo ausbleibt.
Essen dürfen wir den gesamten Tag nichts außer zwei Schälchen Reissuppe, die Anne an den Reisgeschmack ihrer Kindheit erinnern. Der war nicht so lecker.
Als dieser Reinigungsprozess zu seinem Ende kommt, werden wir mit heißem Kräuterwasser und einer anschließenden Kokosnuss belohnt. Da Kokoswasser für Anne ja auch eher brechreizfördernd ist, bekommt sie stattdessen Glukosewasser. Der Reinigungstag endet mit einem tatsächlich leckeren Abendessen.

Entgegen der Kurvorsehung, dass die Gäste wegen der inneren Einkehr getrennt speisen, haben wir uns mittlerweile mit den anderen beiden anwesenden Kurgästen zusammengetan (in den folgenden Tagen wächst die Gruppe auf acht Personen an) und genießen unsere gemeinsamen Essen allesamt bei unterhaltsamen Gesprächen.

Jeden Tag werden wir bei fünf Massagebehandlungen kräftig mit verschiedenen Ölen eingerieben, oft von den Haaren bis zu den Zehen. Auf dem Programm stehen je 25-minütige Kopf-, Gesichts-, Nacken-Schulter-, Rücken-, Fuß-, Hand- und Ganzkörpermassagen (mit zwei Therapeuten und einer vollständigen Einölung) Außerdem erhalten wir Spezialmassagen für unsere Rückenleiden (Kati Vasti) und Stirngüsse.
Bei letzteren wird an drei aufeinanderfolgenden Tagen warmes Öl langsam über die Länge unserer Stirn gegossen. Dies ist die Vorbereitung für Nashya, die Nasenreinigung. Hierzu bekommt man Öl in die Nasenlöcher geträufelt, muss es hochziehen und dann durch den Mund wieder nach außen befördern. Der Stirnguss bewirkt ein Lösen sämtlicher festgesetzter Schleime in den Sinushöhlen des Kopfes, das heißt beim Nashya hat man ordentlich zu tun, sich des ganzen Krams zu entledigen.
Beendet wird dieser Prozess mit dem Gurgeln von Pfefferwasser. Es gibt wahrlich angenehmeres…

Annes Geburtstag ist ein reiner Entspannungstag. Wie immer werden wir morgens um 6:00 mit einem freundlichen „guten Morgen“ mit singhalesischem Akzent geweckt. Das Glas heißes Wasser steht bereit und dazu gibt es heute einen Blumenstrauß, der durch einen wunderschön dekorierten Frühstückstisch, weitere Blumen vom Massage- und Ärzteteam, einem Kokos-Reiskuchen mit Bananendekoration und einem Geburstagsständchen aller Gäste und Mitarbeiter perfektioniert wird. All das zusätzlich zu Veit’s Geschenken. Einziger Wermutstropfen: aufgrund des vielen Entschlackens reagiert Anne’s Haut und so hat sie an ihrem 36. Geburtstag deutlich mehr Pickel als an ihrem 16. Allerdings nicht im Gesicht und auch nicht entzündlich 😉 Und das geht schnell wieder vorbei.

Nach einem Entspannungstag ohne Reinigung nur mit wohltuenden Massagen folgt Vasti Karma. Klingt schön, ist aber so lala. Denn dahinter verbirgt sich nichts anderes als ein Einlauf mit Öl.
Wenigstens läuft’s reibungslos bei uns beiden und ist somit recht zügig überstanden.
Blöderweise war kurz vor unserer Vasti Karma Behandlung festgestellt worden, dass die Klärgrube unseres Wohngebäudes voll ist. So teilen wir uns ein einziges Klo mit den anderen sechs Gästen, aber alles geht gut.

Die letzte Reinigung für uns ist die Augenreinigung wiederum zwei Tage später. Dabei wird einem ziemlich viel Kokoswasser in die Augen geträufelt. Anne’s Hoffnung, nach dem anschließenden fünfstündigen Sonnenbrille-tragen so strahlend weiße Augäpfel zu bekommen, wie unsere Ärztin, erfüllt sich zwar nicht, aber immerhin ist die Sicht danach tatsächlich klarer.

Unsere letzten Behandlungen (je eine Gesichts- und Fußmassage) erhalten wir auf einer über und über mit Blüten geschmückten Massageliege. Wir werden zum Abschied sozusagen auf Blumen gebettet, die anschließend mit Creme auf unseren Körpern „geklebt“ werden. Nachdem wir die Kur als Ölprinzenpaar begonnen haben, beenden wir sie als Blumenkinder.

Nach 14 Tagen liebevollster Umsorgung durch ein unglaublich großes Personalteam (etwa acht Masseure/innen, drei Ärzte, vier Kellner, zwei Köche, zwei Gärtner, zwei Zimmerjungen, drei Gästebetreuer, diverse Helfer) sind wir wirklich vollkommen entspannt und sehr, sehr nah bei uns. Obwohl die Tage mit den Behandlungen gut gefüllt waren, hatten wir viel Zeit zum Lesen, Nachdenken, Reden und Meditieren.

Das Essen (ist ja tatsächlich immer wichtig bei einer Kur) war toll, vorwiegend vegetarisch (außer manchmal Thunfisch) und wurde mittags immer von einem der Ärzte erklärt. Nur die Sache mit der landestypischen Schärfe der Speisen war nicht so einfach. Ständig mussten wir darum bitten, dass man den Chili und auch den Pfeffer weglässt, weil unsere europäische Zunge mit der überzogenen Schärfe nicht umgehen kann. Die Ärzte beteuerten wiederholt, das Essen zu probieren und als lasch gewürzt zu empfinden. Ist es für die Singhalesen sicher auch, aber für uns war’s oft trotzdem grenzwertig. (Unvorstellbarer Weise ist selbst die ayurvedische Zahncreme übrigens scharf, und mit der müssen wir uns immer schön die Zähne putzen, solange wir im Resort sind.)

Zum Schluss erhalten wir in einer Abschlusskonsultation noch eine Liste von zuhause erhältlichen Lebensmitteln, die unseren Doshas gut tun oder schaden. Außerdem bekommen wir noch Medikamente für mindestens einen Monat mit und auch den Rat, wie ein gesunder ayurvedischer Tag aussehen sollte.

Beseelt und fast schweren Herzens verlassen wir dieses Paradies und begeben uns nach Mirissa, wo wir gedenken, unsere introspektive Reise als nächste Etappe fortzusetzen.

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