28.06.2013

Im Zeichen von Om

15.6.-24.6.2013

Langkawi ist eine Inselgruppe ganz im Norden von Malaysia, an der Grenze zu Thailand. Die Insel ist steuerfrei und sowohl für Einheimische als auch für Ausländer ein Urlaubsparadies, vor allem zwischen November und März, wenn an der Ostküste der malaysischen Halbinsel der Monsun tobt. Bewohnt ist nur die Hauptinsel Langkawi. Hier gibt es eine gute Infrastruktur.

Nach drei Stunden Fährfahrt inmitten einer holländischen Reisegruppe komme ich in Kuah Town an. Die Überfahrt ist mal wieder anstrengend, nicht nur wegen der Gefrierschranktemperaturen der Klimaanlage, die mich in langer Hose und Fließpulli frieren lassen. Die ausgehändigten Plastiktüten sind am Ende der Fahrt aufgebraucht, gefüllt mit den Mageninhalten vieler Passagiere. Mir helfen meine Reisetabletten. Der jungen Holländerin vor mir, der ich sie anbiete, nicht. Die Arme ist von einem vorbeilaufenden Gast, der nicht mehr an sich halten konnte, angespuckt worden. (Da bekommt der Satz „du kotzt mich an“ doch noch mal ne ganz wortwörtliche Bedeutung…) Das notdürftige Reinigen ihrer Klamotten kann nicht verhindern, dass die durch den Vorfall erzeugte Übelkeit sie die folgenden Stunden im Griff hat.

Mit einem anderen holländischen Paar teile ich mir das Taxi (24,- Ringit = 8,- Eur zusammen) von Kuah nach Pantai Cenang, wo man die größte Wahrscheinlichkeit hat, Hostels zu finden. Ansonsten gibt es über ganz Langkawi verteilt nämlich auch sehr viele Resorts und Hotels, die für mich dieses Mal aber nicht infrage kommen.
Ich schau mir die Rainbow Lodge an, deren schließschrankloser Schlafsaal mich sehr an ein Feldlazarett erinnert sowie das hier sehr bekannte Hostel Gecko’s. Hier bleibe ich eine Nacht, aber eigentlich nur, weil ich keine Lust habe, mit dem Rucksack weiter rumzulaufen. Die Anlage des Gecko’s (18,- RM ohne Frühstück, mit lahmen WiFi) ist ja ganz nett gedacht, aber die fehlende Motivation der Belegschaft spiegelt sich in der nicht vorhandenen Sauberkeit des Ladens wider und auch in den wirklich ekelhaften Duschräumen. Das hier ist wohl eher so ein Partyhostel, Altersdurchschnitt der Gäste: 24 Jahre. Darauf habe ich gerade gar keine Lust. Also ist die erste Amtshandlung nach Abstellen meines Rucksacks die Suche nach einer anderen Unterkunft. Die ist schnell gefunden: The Cottage (20,- RM ohne Frühstück mit ner Super-WLAN Verbindung und sauberen Räumen und Duschen. Die sind zwar nur kalt und im Zimmer gibt’s keine Klimaanlage, aber mein Gewissen will ja sowieso nur nen Ventilator. (Mein Körper allerdings hätte sehr gerne eine Klimaanlage gehabt, aber dazu später…) Die Besitzer sind sehr nett und am Folgetag ziehe ich hier ein.

Die zweite Aufgabe des Tages: ein Yogastudio finden. Im Internet habe ich doch mehrere Retreats gefunden (das sind teure Yogaurlaube in Luxus-Resorts mit mehreren Unterrichtseinheiten pro Tag, gesundem Essen und Meditation) und die Aussage, Yoga wäre auf Langkawi ein großes Thema. Hm, ich finde zunächst mal nichts, was darauf hindeutet. Nach stundenlanger Suche frage ich einem SPA nach, die müssten doch wissen, wo man in diesem überschaubaren Ort etwas für seine Entspannung tun kann. „Ja“ heißt es nach einigem Nachdenken, „im Dorf gibt es eine Frau, die macht Yoga. Es gibt auch ein Schild, das darauf hinweist“. Mit dieser Aussage begegne ich dem Phänomen „lieber irgendetwas falsches sagen, als einzugestehen, dass man die Antwort nicht kennt“, das ja in Asien weit verbreitet sein soll. Ich laufe also ins Dorf, abseits der Touristenmeilen und finde: nichts. Kein Schild, keine Frau (zumindest keine ohne Kopftuch und denen mit Kopftuch ist Yoga von staatswegen untersagt, weil Allah am besten weiß, was für den Körper gut ist…) Letzte Hoffnung: die Taxifahrer, die kennen sich hier doch aus. Ich solle es mal im Babylon versuchen, sagen sie. Das Babylon ist ein Konglomerat aus Reggae Beach Bar, Restaurant, Klamotten- und Schmuckladen und Kunstort. So ein bißchen alternativ. Ja, hier gab’s mal Yoga, der letzte Kurs ist aber schon ne Weile her und seitdem hätten sie keine Infos von dem Lehrer bekommen. Aber der käme wirklich jeden Abend zum Abendessen her, ich solle doch zwischen 20:00 und 22:00 wieder hier sein, um ihn zu erwischen. Hm, eher ungläubig verlasse ich das Babylon und setze mich enttäuscht und mit Weiterreisegedanken ins Hostel. Dort hängt doch tatsächlich ein Zettel: Yoga, jeden Morgen um 8 und abends um 18:00, Treffen am Meritus-Hotel. Ob das noch aktuell ist, können mir die Jungs von der Rezeption nicht sagen, die wissen nicht mal, dass dieser Zettel bei ihnen am Infobrett hängt…
Aber einer der Jungs kann mir wenigstens sagen, sein Nachbar Eddie, ein Ausländer mit lockigen Haaren, der hier seit einiger Zeit lebt, bei sich im Haus Yogaunterricht gibt. Er würde jeden Abend ins Babylon zum Essen gehen. Na dann ist der Nachbar wohl dieselbe Person, die früher im Babylon mal Kurse gegeben hat.
Ich überwinde mich, auf gut Glück ins Babylon zu gehen. Kein Eddie. Ich solle warten, der kommt schon noch. Ist mir ja schon ein bißchen peinlich, aber andererseits will ich wirklich Yoga machen. Dass Eddie tatsächlich ne halbe Stunde später auftaucht, ist eher Zufall, denn eigentlich holt er sich bloß nen Becher Eiswürfel für seine Cola, denn essen tut er heute nicht im Babylon.
Aus der Frage nach einem Yogakurs wird ein vierstündiges Gespräch über Lebensphilosophie. Dr. Eduardo Sanchez ist nämlich vor seiner eigenen Reise Dozent für Behindertenbildung in Kalifornien gewesen, macht seit 15 Jahren Hatha Yoga und beschäftigt sich mit so metaphysischen Dingen wie der physikalischen Existenz von Gedanken, dem Begriff „Wahrheit“, den Grundaussagen der Weltreligionen und den Absichten hinter ihren Verhaltenskodizees usw. Sehr interessant.

Jeden Tag der darauffolgenden Woche besuche ich seinen Yogakurs. Er wird auch noch einige Jahre hierbleiben, also falls jemand von euch Lust auf Yoga in Malaysia verspürt, kann ich ihn sehr weiterempfehlen. Es ist das Highlight meines sonst wenig spektakulären Tages. Denn ich bin reisemüde.
Langkawi wäre eigentlich ein wunderschönes Archipel zum Entdecken: Man kann Schnorchel- und Tauchausflüge machen, Adler füttern, Insel-Hopping machen und noch weitere wunderschöne Palmenstrände entdecken, die Inselmitte erkunden, Dschungeltouren machen, mit nem Gleitsegel von nem Boot gezogen über die Küste fliegen, Jetski und Banane fahren und bei guten Bedingungen sogar surfen (gibt allerdings kein Mietmaterial hier).
Ich mache nichts davon. Ich leih mir auch kein Moped und erkunde die Insel. Ich geh auch nicht in nen SPA und nicht ins Reismuseum.
Ich verbringe die meiste Zeit des Tages im Hostel, lade unsere Balifotos auf den Cloudserver (das dauert wirklich ewig), lese, recherchiere im Internet, skype, maile und gehe hin und wieder nen Happen essen. Und wenn ich ganz besonders mutig bin, versuche ich zu meditieren.
Den Strand, der einer der 10 besten Traumstrände der Welt sein soll (er ist wirklich schön, aber ich habe keine Ahnung, nach welchen Kriterien sowas bestimmt wird) besuche ich nur zwei Mal. Es ist einfach abartig heiß. Die Sonnencreme haftet nicht auf meinem permanent nassen Körper, das Wasser hat Körpertemperatur und bietet keine Abkühlung und so bevorzuge ich den Ventilator. Das ändert zwar nur unwesentlich an meinen dauerhaften Hitzewallungen, aber wenigstens weht so alle paar Sekunden mal ein Lüftchen für mich und ich kann hier vor mich hinpuzzeln. Leider sinkt bei uns im Schalfsaal auch nachts die Temperatur nicht unter 30 Grad, sodass zwei Mal am Tag Duschen erstens sein muss und zweitens eigentlich gar nicht reicht. Insgesamt lasse ich es mir acht Tage gut gehen.

Dann geht die Fahrt zurück nach Singapur über KL. Shuttle zum Hafen, Fähre zum Festland, Bus nach KL, wo ich 13h später im Hostel ankomme. Eigentlich wollte ich hier ja mal mit nem Zug fahren, weil man da angeblich schönere Strecken hat. Aber die streckenmäßig sinnvollste Verbindung vom Norden ist ein Nachtzug, da sähe ich dann auch nichts von der schönen Landschaft. Also Bus, tagsüber. Die Strecke hat trotzdem ihre Reize: neben Palmenplantagen gibts nämlich noch Abschnitte, an denen man links und rechts den hügeligen, dichtbewachsenen Urwald in seinem unglaublich satten Grün liegen sieht, sowie Reisfelder und plötzlich aus dem Boden sprießende, grün bewachsene Felsbrocken.
Etwa 200km nördlich von KL zieht sich der Himmel dann zu, es wird sehr diesig. Und fängt irgendwann an zu stinken. Die Sonne schimmert seltsam rötlich durch diesen „Vorhang“, lange vor Sonnenuntergang. Später bei Dunkelheit sieht auch der Mond so seltsam unnatürlich aus. Das ist sie, die Smogwolke aus Sumatra in Indonesien. Dort brennt man gerade mal wieder Regenwald ab – in großen Stücken, wie jedes Jahr um diese Zeit. Platz für lukrative Palmölplantagen brauchen sie da. Scheiß auf das bißchen Rauch, scheiß auf die Luftbelastung außerhalb jeder messbaren Smoggrenzwerte. Scheiß auf das nachhaltig beeinträchtigte Weltklima, scheiß auf die bei den Brandrohdungen sterbenden Tiere, scheiß auf die Zukunft (was für ne Zukunft, man will doch JETZT Geld verdienen?). Meine Lunge belegt sich mit jedem Atemzug, ich huste leicht. In KL angekommen, habe ich das Glück, auch nachts um 23:00h noch eine Atemschutzmaske kaufen zu können. Ob’s wirklich hilft, weiß ich nicht. Schaden tut’s mir bestimmt nicht. In Singapur werde ich die noch dringender brauchen, denn die Stadt ist am schlimmsten von der Wolke betroffen. Dort sind die Masken bereits ausverkauft.

So zurückgeholt in eine Realität voller Herausforderungen und Großstadtgewusel (ich glaub, ich muss aufs Land ziehen :-/) steige ich morgen in Singapur in meinen Flieger Richtung Sri Lanka, wo ich mich mit Veit wieder treffe, der da ja bereits seit fast drei Wochen ist.
Wir beschließen, in der nächsten Zeit deutlich weniger zu reisen und länger an einem Ort zu bleiben. 15 Länder in acht Monaten muss man auch erstmal verarbeiten.

Fazit: Malaysia ist ein tolles Reiseland. Einfach, sicher, sehenswert, divers, entwickelt, günstig. Und klein genug, um es in einem dreiwöchigen Jahresurlaub bereisen zu können. Es ist ein Land, in dem nicht auf jedem Quadratzentimeter die Schlepper und Straßenverkäufer auf einen einreden, allein deswegen macht das Reisen hier schon Spaß. Ein Land zwischen Schwellenland und Erster Welt mit viel Kultur und Geschichte, mit toller Natur und super freundlichen Menschen. Absolut empfehlenswert.

Die Kommentare sind geschlossen.

Kategorien

Admin | Reiseblog anlegen | Plane Deine eigene Weltreise