17.06.2013

Multikulti Malaysia

8.6.-15.6.2013

Von Singapur reise ich mit dem Bus nach Malaysia. Schon nach wenigen Kilometern sehe ich, was mich durchs ganze Land begleiten wird: Reihenhaussiedlungen. In erstaunlicher Anzahl und Größe. Alle neu und teilweise ganz geschmackvoll.
Und endlose Palmenplantagen. Malaysia ist ein großer Palmölproduzent und muss nach Jahren der unbedarften Regenwaldabholzung nun dafür kämpfen, seine verbleibenden Urwaldflächen zu erhalten. Ich besuche übrigens nur die malaysische Halbinsel, das östliche Malaysia auf der Insel Borneo hebe ich mir für eine zukünftige Reise auf, sollte ich mal wieder Lust auf eine Dschungelerfahrung verspüren.

Meine erste Station heißt Malacca. Hier haben die Kolonialherren ganze Arbeit geleistet. Erst kamen die Portugiesen, dann die Holländer und zum Schluß die Engländer. Architektonisch hatten die Holländer den größten Einfluss und so sieht die Stadt aus wie eine der ihren, nur mit chinesischer Deko.
Denn die heutige Bevölkerung Malaysias setzt sich aus hauptsächlich drei Ethnien zusammen: Chinesen, Inder und Malays. Letzteres sind die ursprünglichen Bewohner des Landstrichs. Gesprochen wird bahasa (malaysisch), indische Sprachen, chinesisch und flächendeckend englisch, was das Reisen sehr vereinfacht. (Auch, wenn das Englisch manchmal nur mit viel Fantasie zu verstehen ist.) Staatsreligion ist  der Islam mit 60% der Bevölkerung als Glaubensanhänger. Die meisten Frauen tragen Kopftücher und immer bedeckte Schultern und Knie. Manche Frauen aus noch strenger religiösen Familien tragen aber auch diese schwarzen (! – es ist wirklich heiß hier) Tschadore mit Niqab (Gesichtsschleier), bei denen außer den Augen nichts mehr zu sehen ist. Ich finde das sehr, sehr befremdlich, vor allem beim Anblick einer derart verhüllten Frau, die sich beim Restaurantbesuch mit ihrem Mann verstohlen einen Haps Essen unter den Mundvorhang schiebt, möglichst schnell, damit auch ja das Gesicht und der Mund nicht zu sehen sind.
In Malacca verbringe ich zwei Nächte im Little Nyonya Hostel (3,50€/Nacht) und damit in einer Unterkunft, die dem Wort „Homestay“ (Unterkunft bei einer lokalen Familie) näher kommt, als alle Homestays, in denen wir bisher gewohnt hatten. Geduscht wird im Familienbad und man läuft durchs Wohnzimmer der Familie, um zu den Gästezimmern zu kommen. Wie überall in Malaysia müssen hier die Schuhe ausgezogen werden, bevor man die Schlafräume betritt. (Gleiches gilt auch für viele Tempel und sogar manche Geschäfte, in sofern „zieht es mir häufig die Schuhe aus“ – ganz im Positiven).
Hervorzuheben sind in Malacca vor allem die Trishaw (Fahrradtaxis), die üppiger mit Plastikblumen dekoriert sind, als ein Auge fassen kann. Meist sind sie mit einem Lautsprecher ausgestattet, aus dem in ohrenbetäubender Lautstärke „Gangnamstyle“ und ähnliche musikalische Perlen dröhnen. Und abends blinken und leuchten die Dinger noch. Ein nahezu nicht zu übertreffender Kitsch.

Mein Weg führt mich weiter nach Kuala Lumpur. Die Stadt steht Singapur in kaum etwas: Hochhäuser und Shoppingkomplexe noch und nöcher und Bauarbeiten, die davon zeugen, dass die Stadt boomt. Nur Bürgersteige sind rar gesät, das scheint eine malaysische Eigenart zu sein. In KL, wie die Stadt genannt wird, gibt es rund um mein Hostel (Sunshinebedz, 8,- €/Nacht inkl. Klimaanlage und Frühstück) viele Massagestudios. Die davor sitzenden Mädels halten alle einen Flyer mit Preisen für Schulter-, Rücken-, und Fußreflexzonenmassage in der Hand. Dass ich nicht angesprochen und kaum angeguckt werde, in Kombination mit der für ne Massagetätigkeit seltsam stoffarmen und hochhackigen Kleidung und der Tatsache, dass abends immer mehr Frauen mit solchen Flyern in der Hand auf der Straße rumstehen, lässt mich vermuten, dass es eher um Spezialmassagen männlicher Intimmuskulatur geht, als um alles andere.
Aber ansonsten liegt mein Hostel ziemlich gut. Alles ist fußläufig zu erreichen. Den Weg zum fast 2 km entfernten Aussichtspunkt „PetronasTower“ legt man fast vollständig überdacht und klimatisiert zu. Abgefahren, aber gar nicht so übel, denn das Wetter ist meist heiß und schwül hier. Erwähnenswert ist das viele Grün in der Stadt. Von oben aus gesehen machen Bäume schon einen großen Teil des Stadtbildes aus.
Die Stadtgebiete Chinatown und Little India sind riesige Basare, auf denen man alle nur erdenklichen „Markenklamotten“, -taschen, -sonnenbrillen… erstehen kann und gute Straßenküche bekommt. Überhaupt geht’s in Malaysia sehr viel ums Essen. Ganze Straßen verwandeln sich abends in Fressmeilen.

Von KL nehme ich den Bus Richtung Cameron Highlands. Busse sind hier häufig nur mit drei Sitzen pro Reihe ausgestattet und sehr bequem. Auf mediale Beschallung wird glücklicherweise verzichtet, dafür ist die dekorative Ausstattung der Busse um so sehenswerter.
Tanah Rata ist mein nächstes Ziel in diesem malaysischen Gebirge. Und wie das so ist bei Gebirgsfahrten geht es ab in die Serpentinen. Logisch, dass da der ein oder andere Magen rebelliert. Diesmal erwischt es meinen Hintermann und so atme ich die letzte Fahrtstunde nur noch durch den Mund…
In Tanah Rata sind die Temperaturen angenehm, solange die Sonne scheint. So um die 20 Grad, schätze ich. Dunkelheit bedeutet hier aber Kälte. Nach all diesen Wochen feuchtheißer Temperaturen friere ich nachts bei 10 Grad wie ein Schneiderlein und wache trotz Leggings und Langarmshirt zitternd auf. Wie konnte ich mir nur wünschen, der Hitze zu entfliehen? (Das war meine Hauptmotivation, um hierher zu reisen.)
Der Ausflug am nächsten Tag entschädigt mich für die verfrorene Nacht in einem mit was-auch-immer-für-Tieren verseuchten Hostel (Kang Traveller’s Lodge, 4,- €/Nacht). Die hatten mich durch ihr Geraschel an einer Plastiktüte nämlich neben der Kälte am Wiedereinschlafen gehindert. Nun ja, ich bin ja schließlich in Regenwaldnähe, da gehören Tiere wohl dazu (bähhhh).
Der Guide bringt uns in den Hochlanddschungel. Tiere sind hier nicht zu bewundern, aber einige Exemplare der größten Blume der Welt mit einem Blütendurchmesser von bis zu einem Meter. Die Blume, die eigentlich ein Pilz ist, heißt Rafflesia und ist das Highlight der Tour, für den sich der zweistündige Aufstieg im Dschungel gelohnt hat. Auf dem Rückweg werden wir mit Bambuswasser belohnt, das wir direkt aus einem frisch aufgeschlagenen Bambusstamm trinken. Danach folgen das Vorführen einer Blaswaffe (Bambusrohr mit einer Pfeilspitze zum Töten von kleinen Tieren), der nicht mal erwähnenswerte Besuch eines indigenen Dorfes, die Besichtigung einer Teeplantage, einer Schmetterlingsfarm und einer Erdbeerfarm. Tee und Erdbeeren sind hier oben DIE Landwirtschaftsprodukte schlechthin. Die Teeanbaugebiete sind eine reine Augenweide und die Erdbeeren ein wahrer Gaumenschmaus. Ein wunderschöner Eindruck von diesem Hochland, in dem die Architektur an die heimischen Gebirgsdörfer erinnert.

Weiter geht’s nach Penang, einer Insel an der Westküste Malaysias. Zunächst bette ich mich im Reggae-Hostel, in dem ich eine Schlafkabine in einem 8er Schlafsaal habe. Nach anfänglichem Erstaunen über dieses System (es sieht aus wie in einem Schlafabteil eines Zuges), stellt sich das mit einem Vorhang vom Zimmer abgetrennte Bett mit eigener Lampe, Steckdose und Spiegelschrank als ziemlich praktisch heraus. Sehr viel besser als die Unterkünfte der letzten Tage. Doch ich bleibe nur eine Nacht in diesem Hostel, denn daneben ist eine Bühne aufgebaut, auf der ab 19:00 abends chinesische Popmusik im Halbplayback läuft. In Konzertlautstärke mit nur teilweise talentierten Sängerinnen. Nach 5 Stunden bin ich mürbe und bereit zu töten, als endlich der Strom der Bühne abgestellt wird. Für die nächste Nacht suche ich mir ne andere Unterkunft (Muntri House, 6,20 € pro Nacht, wo statt Musik ein künstlicher Brunnen in der Lobby plätschert. Ah, so ist’s schön.
Mit dem Fahrrad erkunde ich die unter UNESCO-Weltkulturerbschutz stehende Altstadt mit ihren Kolonialgebäuden und unzähligen Tempeln (chinesisch, indisch, tibetanisch, sikh), Moscheen und Kirchen.
Durch Zufall lerne ich Ang Huah kennen. Der ist Yoga-, Tai Chi und Meditationslehrer, Buddhist chinesischer Abstammung, der bekannteste Couchsurfer von Penang (er hatte mehr als 200 Couchsurfer bei sich bisher) und ein unglaublich sozialer Mensch. Er engagiert sich in den chinesischen Tempeln seines Clans in der Altstadt, im Fischerdorf am Meeresufer (das ist eine ursprüngliche Siedlung der chinesischen Fischer aus Holzhäusern auf Stelzen ins Meer gebaut), auf der Fruchtplantage seines Clans in den Bergen, im tibetischen Tempel, im Behindertenheim und im chinesischen Herrenhaus-Museum. Ein Tausendsassa, der ohne Punkt und Komma redet, zumeist in Englisch aber ein bisschen auch in deutsch. Ich lerne Dinge über Buddha und Lao Tse, Meditation und Yoga. Und über das Zusammenleben der vielen Ethnien in Malaysia. Er zeigt mir seine Holzhütte im Fischerdorf, nimmt mich mit in das Behindertenheim, in dem u.a. deutsche Physiotherapeuten praktizieren und bringt mich in ein indisches, vegetarisches Freiwilligenrestaurant abseits jeglicher Touripfade. In dem Restaurant kochen Freiwillige allabendlich ein Büffet. Die Gäste sind hauptsächlich indischer Abstammung. Gezahlt wird in Form von Spenden. Jeder gibt, was er möchte. Wir beide essen dort sehr lecker und trinken einen richtigen, indischen Chai. Yummie. Ang Huah benutzt zum Essen seine Hand (ohne Besteck), das ist ziemlich traditionell und ich sehe das hier sehr häufig bei den Einheimischen.
Mein persönlicher Fremdenführer erzählt mir von seiner Couchsurfing-Unterkunft im Dschungel, ohne Elektrizität und fließend Wasser, eine Stunde Fußweg vom nächsten Ort entfernt (na ein Glück habe ich das nicht gemacht…). Ich habe einen unglaublichen Tag dank ihm und lerne wohl mehr, als in den vergangenen acht Monaten.

Dankbar verlasse ich am nächsten Morgen nach einem chinesischen Frühstück (Bihunnudeln und irgendwas frittiertes Süßes) Penang Richtung Langkawi, einer Insel an der thailändischen Grenze. Hier hoffe ich, noch mehr Yoga zu finden und Strände, an denen ich ein paar Tage bleiben möchte.


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