7.06.2013

Planet Mars

24.5.-5.6.

Wir verlassen das tourismusverwöhnte Bali mit der Schnellfähre Richtung Gili Air. Die Mini-Inseln Gili Trawangan, Gili Meno und Gili Air gehören administrativ zur Insel Lombok und sind somit muslimische Inseln. Auf den Gilis gibt es keinen motorisierten Verkehr, lediglich Pferdewagen und Fahrräder befahren hier die überwiegend ungepflasterten Wege.

Wir finden eine nette Unterkunft im Adeng Adeng Homestay für 140.000,- IDR inkl. Frühstück in der Inselmitte, bzw. im Dorf, wie die Einheimischen sagen. Denn die Touristen wohnen in der Regel am Strand in tollen, teilweise luxuriösen Bungalow-Anlagen. Diese Unterkünfte kosten ab 200.000,- IDR (15,- €) aufwärts, sind also durchaus noch finanzierbar innerhalb eines normalen Jahresurlaubbudgets. Aber nach unseren doch übermäßig teuren Aufenthalten in Neuseeland und Australien sind wir wieder auf dem Sparschuh unterwegs und leisten uns Luxus nur innerhalb unseres gesetzten Budgets.

Mit Fahrrädern erkunden und umrunden wir die Insel in 2 Stunden.
Hier wird gerade viel gebaut: neue befestigte Wege, weitere Bars, Restaurants und Touristenunterkünfte. Die meisten Unterkünfte davon sind bzw. werden wirklich hübsch im Bambusstil gebaut. An der einen oder anderen Stelle müssen die Einheimischen aber aufpassen, dass eben diese, die Insel so attraktiv machende Bauweise nicht durch die Gier nach mehr zerstört wird. Noch gibt es keine Hotelklötze, hoffentlich bleibt das so.

Der Muezzin, der uns täglich um 5:00 morgens aus dem Schlaf reißt, weil unser Homestay neben der Moschee liegt, Freitags zwischen 11:30 und 14:00 in die Moschee eilende mit Gebetsteppich, Kappen und traditionellen Rocktüchern versehene Männer und hin und wieder mal eine verkopftuchte Frau sind die einzigen Hinweise auf den hiesigen Islam. Den Touristen wird hier jedoch scheinbar jede Freiheit gelassen, die sie aus ihren Heimatländern gewohnt sind (eine Strandbar wirbt entsprechend mit dem Spruch: no shirt, no shoes, no problem!).

Gili Air ist eine relativ ruhige Insel. Wer möchte, kann dennoch hin und wieder abends zu furchtbarer Ibiza-Billo-Elektro-Musik gemeinsam mit den einheimischen Jugendlichen und einigen verstrahlten Touristen feiern. Die meisten jungen Leute hier arbeiten im Tourismus. Vermutlich obliegt der traditionelle Reisanbau, die Fischerei und Viehzucht eher den älteren Semestern. Die Menschen hier sprechen erstaunlich gut englisch, obwohl der Tourismus noch gar nicht so lange der mächtigste Wirtschaftsfaktor ist. Mehr als angenehm nach dem Verkaufsdruck der Balinesen ist, dass wir hier auf Gili Air nicht ein einziges Mal angesprochen werden, um irgendetwas zu kaufen oder zu essen. Eine absolute Wohltat! Es gibt (noch) keine typischen Souvenirshops, man erhält eigentlich nur das, was man zum Leben braucht. Das gefällt uns sehr.

Am meisten aber gefällt uns Sasak’s Warung 2 (falls ihr mal dort seid: vom Hafen Richtung Inselmitte, dann erste Kreuzung rechts, nach etwa 200m auf der linken Seite – Straßennamen gibt es nicht…), in dem es das leckerste indonesische Essen gibt, dass wir je zu uns genommen haben. Wir sind so begeistert, dass wir der jungen Köchin Sri einen Haufen Komplimente machen. Sie lädt uns ein, ihr beim Kochen zu helfen und so stehen wir am nächsten Abend in der Küche der indonesischen Familie und lassen uns von Sri und Mama Pahati in die Geheimnisse ihrer Kochkunst einweihen. Alle sind batz erstaunt, dass Veit mitkochen will. Er ist doch schließlich ein Mann und Männer kochen doch nicht freiwillig…

Mama Pahati ist 40 Jahre alt, hat vier eigene Kinder und drei Enkelkinder (sie hat bereits mit 15 geheiratet) und ist Sris Schwiegermutter. Sri (wir fragen sie nicht, aber sie wird irgendwas zwischen 18 und 20 Jahren jung sein) ist mit ihrem Sohn Johan verheiratet. Die beiden haben einen zweijährigen Sohn, der somit nur geschätzte drei Jahre jünger ist, als Johans jüngster Bruder.
Die Familie lebt in einfachsten Verhältnissen, ihre Küche ist gleichzeitig die Restaurantküche, ihr „Bad“ ist ein trauriger Anblick aus Hockklo und unverputztem Beton mit einem Schlauch als Dusche.
Die Homestaybungalows, die sie anbieten, sehen jedoch einwandfrei aus. Mama Pahatis Mann Eddy führt Sasak’s Warung 1 irgendwo am Wasser. Zwei Läden, von morgens bis abends geöffnet und dennoch scheint das Geld gerade so zum Leben zu reichen. Und trotzdem: alle lachen und sind gut gelaunt.

Für den Kochkurs würde Sri nicht mal Geld nehmen (sie hat übrigens keine anderen Gäste an dem Abend), doch das können wir ihr nicht durchgehen lassen und zahlen selbstverständlich ein Vielfaches von dem, was unser Essen gekostet hätte. Wir würden gern noch mehr tun, sind aber für den Moment überfordert, was genau helfen könnte. Wir ermutigen Sri, in Zukunft mit solchen Kochabenden zu werben und zusätzlich Geld zu verdienen. Denn erstens sind Kochkurse bei Touristen sehr beliebt und auf Bali und selbst auf Gili Trawangan zahlt man eine Heidenkohle für einen Kurs. Und zweitens ist diese Erfahrung im Kreise einer lokalen Familie unbezahlbar und bleibend, vor allem, weil es eben nicht hochprofessionell und durchrationalisiert ist, sondern authentisch und ursprünglich wie es besser gar nicht geht (mal abgesehen vom Glutamat, das ja in die asiatische Küche flächendeckend Einzug gehalten hat; Mama Pahatis Kommentar dazu, ohne dass wir irgendetwas gesagt hätten: „also das braucht ihr nicht verwenden, Touristen benutzen das meist nicht gern“…Wir sind uns ziemlich sicher, dass die Gerichte auch ohne Glutamat hervorragend wären).

Wunderschön ist auf Gili auch das Schnorcheln. Die Inseln sind allesamt von Korallenriff umgeben und ein ganztägiger Schnorchelausflug kostet inkl. Ausrüstung und Führer gerade mal 8,- € pro Nase. Es ist herrlich, auch wenn das Riff durch eine Kombination aus den Folgen von El Niño und Dynamitfischerei mitunter stark angegriffen ist. Dennoch stehen Farben und Vielzahl der Lebewesen unter Wasser der Schnorchelerfahrung auf Galapagos an Eindrücklichkeit in nichts nach. Auch Meeresschildkröten gehören zu ständigen Wasserbewohnern der Inseln. Tauchsport ist hier ebenfalls ganz groß (es gibt jede Menge Schulen), für Freunde des Drucks auf der Lunge ist es ein Toprevier.

Da es hier mit dem leistungsfähigen Internet etwas hapert, suchen wir uns eines Samstagnachts (2:30 Ortszeit) eine Bar, die als einzige zugesichert hat, das Championsleague-Finale (Bayern – Dortmund) im Fernsehen zu zeigen. Als der schläfrige Barmann unter Gemaule der überwiegend deutschen Touristen nicht den richtigen Sender eingestellt kriegt, eilen wir über die Insel in der Hoffnung, irgendwo einen laufenden Fernseher zu finden. Und wir haben Glück: Gemeinsam mit fünf indonesischen, Kaffee trinkenden, jungen Männern, schauen wir uns (Bier trinkend) in deren Wohnzimmer das Spiel an. Drei von den fünf sind Bayern Fans… (warum nur?)

Wir verbringen dann noch zwei Nächte auf Gili Trawangan. Jeher als eher partyfreudige Insel bekannt, ist die gesamte Insel etwas abgerockter als Gili Air. Gleich ist die Summe von Magic Mushrooms, die einem angeboten wird. Freunde des halluzinogenen Bewusstseins kommen hier voll auf ihre Kosten. Vermutlich liegt’s daran, dass auf den Gilis keine Polizei ist und niemand den mit bis zu Todesstrafen geahndeten illegalen Drogenkonsum, -verkauf, -erwerb unterbindet.

Wir finden Unterschlupf in Gerald’s Homestay (für 120.000,- IDR inkl. Frühstück und manchmal funktionierendem Wifi) im Inselmittleren. Die Fahrradrunde um die Insel zeigt uns leider mal wieder viel Plastikmüll und Bauruinen, aber auch schöne Resorts und Strandbars.
Der nächtliche Essensmarkt ist hier beeindruckend, aber im Vergleich zu Bali teurer.

Eines Abends gehen wir tatsächlich mal aus, das ist in den letzten Monaten (man glaube es oder nicht) sehr selten vorgekommen. Es spielt eine indonesische Coverband beeindruckend gut Songs querbeet, aber mit auffallender Häufigkeit Titel von Bruno Mars (ein amerikanischer Popsänger). Wir haben Spaß. Die Band ist ziemlich gut. Zwei männliche Sänger decken ein breites Repertoire ab (das Cover von Nirvana lässt zugegebenermaßen zu wünschen übrig, aber wer Annes Lieblingssongs nachspielt, hat’s auch wirklich nicht leicht, damit auf ihr Gefallen zu stoßen). Überhaupt scheint Musik hier eine große Rolle zu spielen – viele Indonesier spielen Gitarre und singen – meistens Songs von Bruno Mars.

Unsere nächste Station ist Lombok. Auch hier heißt der bekannteste Ort Kuta, hat aber wenig mit dem balinesischen Kuta gemein. Abseits der Touri-Orte erleben wir bei Mopedfahrten durch das Land ein Asien, wie es vor dem Tourismus wahrscheinlich mal war. Unendlich schöne, saftig-grüne Landschaft, Reisfelder, Reistrocknung am Straßenrand, Fischerbote, Häuser aus Bastwänden, Bambushütten, Schlammwege, einsame Buchten, Kinder, die uns zuwinken. Wir fühlen uns, als wären wir die ersten Touristen weit und breit. Sind wir natürlich nicht, denn 5 km weiter hat ein arabischer Investor viel Land gekauft und baut Resorts und Golfplätze (Dreamland lässt grüßen).
Die Hauptstraße ist neu asphaltiert, damit die Touristen ihren Weg hierher finden, denn die mögen sich ja nicht durch den Modder quälen.

Lombok steht auch noch nicht so lange auf der touristischen Liste, aber leider wird der Tourismus hier als Allheilmittel betrachtet und alles fixiert sich in den touristischen Zentren auf die Kaufkraft der Reisenden. Wenn dann keine Urlauber kommen, stellt das ein Problem dar für die Menschen, die so dringend Geld verdienen müssen, um zu überleben. Aber auch für die wenigen, die dorthin reisen. Die werden nämlich geradezu „überfallen“ mit Angeboten von Taxifahrern, Bootsticketverkäufern, Souvenirverkäufern, Restaurants, Schmuckverkäufern, DVD- und CD-Verkäufern, Mopedvermietern, Kokosnussverkäufern, Verkäufern handgewebter Tücher und Decken, Masseurinnen… Es nervt. Sehr sogar. So sehr, dass wir hier wegwollen.
Am bedrückendsten ist jedoch, dass uns Kinder ständig Armbändchen verkaufen wollen. Die Mädchen werden von ihren Eltern zu den Touristen geschickt, bieten an, bitten, betteln, dass man kauft, werden wütend, wenn man es nicht tut und unterstellen einem Versprechen, die man nie gegeben hat – im besten Englisch. Wenn alle Gegenwehr nicht mehr hilft, um sich gegen den Trupp der 10 umringenden Mädchen durchzusetzen, fangen sie an zu weinen, weil sie nichts verkauft haben.
Kinder, die von „Business“ reden. Kinder, die in unbeobachteter Minute tanzend und spielend die Textzeile „I wanna be a billionaire so fucking bad“ (ich möchte so verdammt dringend Milliardär sein) von Bruno Mars singen. Kinderarbeit. Auch wenn es die Kinder hier im Vergleich zu Kindern in einer Fabrik sicher noch gut haben, stürzt es uns doch in eine Sinnkrise. Was soll man diesen Kindern sagen? Dass Geld nicht alles ist? Sie müssen arbeiten, um überhaupt essen zu können. Dass wir keine reichen Leute sind und deshalb nicht alles kaufen können? Wir sitzen hier mit unser weißen Haut und blonden Haare, haben viel Geld bezahlt für die lange Reise bis hier her und tun nichts, haben Urlaub, machen uns nie Sorgen darum, wie wir unsere nächste Mahlzeit finanzieren. Und trotzdem können wir den Kindern nicht 300 Armbändchen abkaufen, auch wenn es das Liebste wäre, das wir täten, damit sie essen und zur Schule gehen können…

In Lombok sind wir natürlich auch zum Surfen. Der Surf auf Gili war nicht so verlockend (i.d.R. ist die Dünung nicht ausreichend), der auf Lombok ist es schon. In Grupuk (oder auch Gerupuk) lassen wir uns mit einem inseltypischen Ausleger-Boot an die Surfstellen der hiesigen Bucht fahren, da man diese nicht über den Landweg erreicht. Nach dem Surfen müssen wir uns von einem anderen Boot wieder zum Hafen zurückschleppen lassen: der Motor unseres Bootes gibt den Geist auf. Blöderweise ist es ausgerechnet das Boot mit den australischen Surfern drauf, mit denen Veit sich im Wasser wegen deren Ignoranz angezickt hatte. Tja, das Schicksal will uns wohl Vergebung lehren oder so…

Unendlich schön ist die Mawi-Bucht. Schwer zu finden, liegt sie einige Kilometer westlich von Kuta und die letzten 100 m muss man laufen, weil der Weg unbefahrbar wird. Ist man einmal da, ist man im Paradies und fühlt sich an Klischeefotos aus Thailand erinnert. Nur mit surfbaren Wellen. Ein Traum.

Unsere letzte Station wird Senggigi, das wegen seiner unzähligen weißsandigen Buchten berühmt ist. Hier teilen wir uns unser Zimmer in Sonyas Homestay mit ner Kakerlake und Ratte(n). Also die Kakerlake hat Anne wie immer mit dem in Ecuador gekauften Tötungsspray plattgemacht. Die Ratte(n) hören wir in der zweiten Nacht, sehen aber erst am Morgen, dass sie sich an unseren Seifen zu schaffen gemacht hat, denn wir finden Zahn- und Krallenspuren daran. Und können uns urplötzlich vorstellen, wo die tote Kakerlake geblieben ist. Bäääääääääh.

Nichts wie weg hier! Zurück nach Bali, wo wir die letzten 5 Tage bis zu unserem Rückflug nach Singapur bleiben und abends bei einem Spaziergang an den Strandrestaurants in Jimbaran von jeder zweiten „Mariachi“-Band einen Song von Bruno Mars hören…

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