17.05.2013

Känguruhland

22.4.-2.5.2013

Ein bißchen was vom Land wollen wir ja trotz beschränkter Zeit und Budget ja dennoch sehen. Also mieten wir uns den billigsten verfügbaren Campervan bei Travellers Autobarn für 70,- AUD am Tag (57,-€) und gehen auf australischen Roadtrip. Das gehört auch irgendwie zu jedem Australienaufenthalt dazu.

Der erste Dämpfer: unsere Vollkasko deckt nicht, wenn wir bei Dunkelheit fahren und dabei einen Unfall haben. Zu viele Känguruh- und Wallaby-Unfälle des Nachts gibt es hier. Sie deckt auch nicht, wenn wir unasphaltierte Straßen fahren. Die Kids, die sich sonst diese Autos ausleihen, halten die Mitsubishibusse mitunter wahrscheinlich für Geländewagen und werden mit Achsbrüchen und anderen unschönen Pannen im Niemandsland (aka Outback) belohnt, auf die der Vermieter keinen Bock mehr hat. Damit ist unser Plan pfutsch, in einer Nachtaktion bis nach Byron Bay oder gar Brisbane zu fahren und uns dann in gemütlichem Tempo wieder Richtung Sydney vorzuarbeiten.

Der zweite Dämpfer: die Karre ist nicht so dolle durchdacht, wie unser geliebter Jucy in Neuseeland (den wir hier leider mangels Verfügbarkeit nicht mieten konnten). Die Batterie hält es nicht aus, wenn man das Licht im Innenraum ne Stunde brennen lässt; das Auto müsste also immer auf nem Campingplatz an Strom angeschlossen werden, was teurer ist. Zudem schluckt die Karre Hölle viel Sprit, bis zu 14 Liter auf 100 km. Da der Tank nur 35 L fasst, muss man gefühlt alle halbe Stunde an die Säule. Immerhin: es gibt ein Zelt für das Heck mit Moskitonetz, das man abends anbringen kann und somit unliebsame Stechviecher fernhält, während man auf dem Gaskocher lecker Abendessen kocht.

Erster Stop unser Tour werden die Blue Mountains. Die liegen nun ganz und gar nicht am Meer, aber sind erstens ein beliebtes touristisches Ziel, anderthalb Stunden von Sydney entfernt und zweitens (und das ist unser eigentlicher Besuchsgrund) wohnen hier Kevin und Meredith, ersterer ein ehemaliger Arbeitskollege von Anne. Wieder werden wir total verwöhnt mit einem perfekten Dinner, bei dem viele Zutaten aus dem eigenen Garten (oder dem der Nachbarn) kommen. Die vegane, glutenfreie Torte zum Dessert ist am überraschendsten und unglaublich lecker. Wir haben einen wunderschönen Abend mit den beiden, der uns mal wieder zeigt, dass es reizvolle Alternativen zu einem Leben in der Großstadt gibt.

Morgens betrachten wir den Sonnenaufgang über den Tafelbergen und Felsformationen, streifen noch etwas durch die herbstliche Gegend (und das heißt hier, es wird wirklich frisch, mehr als 5 Grad haben wir morgens nicht) und machen uns dann auf den Weg nach Newcastle, wo es endlich wieder Surf gibt für Veit.

Bei unserem „tollen“ Campervan leuchtet an Tag 2 mittlerweile die Motorkontrollleuchte und der Van hustet, als hätte er ne Bronchitis. Das führt zu einem känguruhartigen Gehoppel über die mittlerweile fast dunklen Straßen, bis wir in einem Wohngebiet ein Plätzchen finden, wo wir die Nacht über stehen bleiben (nicht, dass das offiziell erlaubt wäre, aber der nächste Campingplatz ist zu weit weg mit unserem Springmobil). Am nächsten Tag ist ANZAC Day, einer der bedeutendsten australischen Feiertage, bei der an die gefallenen und dienenden Soldaten des Landes gedacht wird. Anscheinend lassen sich die Australier nicht lumpen, wenn’s um Kriegsbeteiligung geht – auch im ersten und zweiten Weltkrieg waren sie dabei.

Wir rufen morgens den Reparaturservice, der einmal die Batterie ab- und wieder anklemmt. Dann leuchtet das Lämpchen nicht mehr und der Motor hatte nach dem Tanken aufgehört zu husten (aha, wir verstehen: das Husten ist wohl das Zeichen, dass der Tankstand die Reserve erreicht hat. Ein reguläres Reservelämpchen gibt es nicht.) Wir setzen unseren Weg fort, auf dem das Motorlämpchen jedoch nach kurzer Zeit wieder zu leuchten anfängt, was wir die nächsten 8 Tage geflissentlich ignorieren werden.

Während des Fahrens stellen wir folgende Beobachtungen an:
1. es liegen viele Känguruhkadaver und zerfetzte Autoreifen am Straßenrand.
2. die Spritpreise in Sydney sind fast 30 Cent/Liter günstiger als in den restlichen von uns befahrenen Gegenden.
3. die Geschwindigkeitsgrenze liegt bei max. 110 km/h und die einzigen, die sich aus Respekt vor den drakonischen Strafgeldern von mehr als 200,- AUD bei nur 10 km/h drüber strikt an die Vorgaben halten sind wir.
4. LKW – Fahrer wollen zumeist geistesgestörte Geschwindigkeitsrekorde aufstellen.
5. Ausschilderung ist nicht immer logisch.
6. Straßenbaustellen sind so sauber wie OP-Säle und man sieht immer Leute arbeiten.
7. für eine Strecke von 100 km brauchen wir hier gefühlt doppelt solange wie Zuhause.

Als wir im Hat Head Nationalpark auf einem Naturcampingplatz übernachten, den wir über einen Schotterweg erreicht haben (Achtung, kein Versicherungsschutz…) sehen wir zum ersten Mal Känguruhs. Es ist so gut wie dunkel als wir ankommen (um 18:00 Uhr), es gibt zwei Plumsklos und zwei Picknicktische hier und noch ein paar andere Camper, die allesamt Feuerchen vor ihren Zelten und Wohnmobilen angezündet haben. 3 Känguruhs halten sich in wenigen Metern Entfernung von den Feuern auf und hoffen wohl, ein paar Essensreste abzubekommen. Sie fliehen auch nicht vor unseren Scheinwerfern.

Als wir am nächsten Morgen aufwachen, grasen 5 Tiere rund um unseren Van und lassen sich nicht stören. Der entspannte Surf am wunderschönen langen Strand (wenige Menschen sind hier unterwegs) bringt die nächste Tiererfahrung: Delfine! Geschätzte 30 Exemplare tummeln sich im Wasser. Veit paddelt und schwimmt in ihre Nähe und hält sich ne ganze Weile bei ihnen auf, während Anne versucht, irgendetwas davon mit der iPhone-Kamera aufzunehmen. Der Erfolg ist eher zweifelhaft.

Wir fahren auf unserer Tour viele Buchten in Nationalparks an (Diamond Head, Crescent Head, Bouddi, Evans Head…) übernachten mal auf offiziellen Campingplätzen (zwischen 20 und 32,- AUD fürs Auto und uns ohne Strom), mal wild, laufen in der Regel immer 3 Sekunden vor totaler Dunkelheit auf unserem Übernachtungsplatz ein und verbringen sehr viel mehr Zeit im Auto als wir gedacht hatten. Unsere Wege zu finden, hilft uns der Straßenatlas „Camp 6“, auf dem auch Camping- und Rastplätze aufgeführt sind (wenn auch nicht vollständig, weil es die eigentlich wie Sand am Meer gibt). Der erscheint jedes Jahr neu und ist eine sinnvolle Hilfe für einen Roadtrip durch Aussieland.

Gekocht wird Pasta mit grünem Pesto, rotem Pesto, Fertigsoße oder Dosensuppe – uns schocken die hiesigen Lebensmittelpreise. Selbst bei ALDI (ja, den gibt’s hier wirklich) zahlen wir mindestens das Doppelte von dem, was wir Zuhause zahlen würden. Abgesehen davon ist 5-Sterneküche auf einem einzigen Gaskocher auch nicht so leicht zuzubereiten… Unser Heckzelt ist super als Moskitoschutz und Annes Stirntaschenlampe ist unsere Rettung, um die Batterie des Autos nicht zu strapazieren.

Frühstück ist jedoch immer pompös: Müsli, Obst, Krustenbrot aus Sauerteig (jaaaaaaa, es gibt welches, das Ähnlichkeit mit Mischbrot hat!) und einmal sogar Würstchen mit Speck und Rührei (beides auch in der vegetarischen Variante). Oft frühstücken wir nach dem Surfen, d.h. um 6:00 aufstehen, Surf checken am Ort der Übernachtung oder am nächsten Strand, surfen, Frühstücken, weiterfahren. Wir haben Glück mit den Wellen, trotz angesagter Flaute bekommen wir an den vielen tollen Beach Breaks unerwartet viel Wasser unters Brett. Im übrigen sind wir niemals die ersten am Strand. Um 5:30 geht die Sonne auf, ab da sieht man Surfer, Schwimmer, Kanufahrer, Jogger, Gassigänger… Es scheint, als wäre der gemeine Australier süchtig nach Frühsport. Das bringt uns immer dann in eine gefühlte Bredouille, wenn wir inoffiziell übernachten und wegsein wollen, bevor uns jemand entdecken könnte. Das gelingt uns nie, denn noch früher als 6:00 Uhr aufzustehen, fällt uns sehr schwer (wir haben doch Urlaub, Mann!) auch wenn die Schlafengehzeit sich bei lächerlichen 20:30 einpegelt – was will man auch machen bei völliger Dunkelheit ab 18:00 Uhr nach einem Tag voller Eindrücke und Fahrerei und wenn dazu noch das Grafitti, mit dem unser Bus außen dekoriert ist „Sandman“ heißt…).

Ziel bzw. Scheitelpunkt der Reise ist Byron Bay, wo wir an Tag 6 ankommen. Das ist so ziemlich der bekannteste Surferort dieser „Surfing Nation“, in der das Wellenreiten zum Alltag gehört wie bei uns das Naseputzen. Es ist Sonntag. Morgens waren wir um 8:00 Uhr noch in Lennox Head, südlich von Byron Bay, vor 10 Jahren noch ein Surfer-Geheimtipp, den Veit von seiner damaligen Reise in guter Erinnerung hat. Wir treffen dort auf ein völlig überfülltes Line Up (das ist die gedachte Linie, auf der alle Surfer sitzen und auf die Wellen warten) und einen über die Jahre aufs Doppelte gewachsenen Ort und ahnen bereits, wie es im vielleicht noch vor 25 Jahren als Geheimtipp gehandelten Byron Bay aussieht.

Und richtig. Hier laufen gar nicht so gute Wellen, trotzdem ist das Wasser übervoll mit Surfern. Wir beschränken uns aufs Shoppen (sprich: gucken, was es gibt, ohne zu kaufen) und mischen uns unter das sehr junge, internationale Barfußvolk in den Straßen, die von Shops, Restaurants und Bars gesäumt sind. Hier kann man bestimmt außerhalb des Wassers viel Spaß haben – im Wasser nur eingeschränkt, es ist einfach zu voll. Aber: gesehen haben muss man „Byron“ natürlich schon, auf einem Surftrip durch Australien. Nach ein paar Stunden treten wir den Rückweg an. 4 Tage, um die 800 km nach Sydney wieder zurückzulegen. Aber wie gesagt, Meter zu machen, ist hier gar nicht so einfach, da es keine Autobahn gibt und man immer wieder durch Ortschaften fährt, die wir uns natürlich dann und wann mal anschauen.

Wir besuchen zum Beispiel ein Koala-Krankenhaus in Port Macquarie, in der ehrenamtlich Tiere gepflegt werden, die bei Verkehrsunfällen oder Buschbränden verletzt wurden. Das ist auch das einzige Mal, dass wir Koalas sehen. In freier Wildbahn sind sie wohl eher selten zu entdecken. Mit dem Rat: „wenn du nach einem Koala suchst, gucke nicht nach oben sondern immer zuerst auf den Boden und suche erstens nach Koalaköttel unter einem Baum, dann sitzt wahrscheinlich einer oben und zweitens gibt es überall im Land Giftschlangen, auf die man beim nach oben gucken treten könnte“, erinnert der ehrenamtliche Mitarbeiter des Koala-Krankenhauses Anne wieder daran, dass Bushwalks in diesem Land nicht zu ihrer präferierten Tätigkeit gehören würden. Giftschlangen, Riesen- und Giftspinnen, Giftfrösche, Krokodile … hier gibt’s einfach zu viele Ekelviecher. Glücklicherweise bleibt uns ein Treffen mit solchen erspart, auch als wir 1-2 mal kleine Buschwanderungen auf ausgewiesenen Routen machen.

Einen Emu ( Vogel Strauß) sehen wir nur in einem Wildgehege. Aber Papageien begegnen uns etliche in freier Wildbahn. Das ist toll. Meistens sind sie grün mit rotem Bauchgefieder und erinnern Anne an „Petja“, den Papagei, den ihre Familie kurzzeitig mal gepflegt hat, als sie ein Kind war. Der zerrupfte seinerzeit mit Vorliebe die Pflanzen auf dem Wohnzimmerraumteiler und durfte daher nicht so lange in der Radkeschen Wohnung bleiben sondern wurde an ein Vogelgehege übergeben, aber das ist eine andere Geschichte….

Was uns auch erspart bleibt, ist ein Zusammentreffen mit Haien. Uff, große Erleichterung darüber vor allem bei Anne, deren vorherrschender Gedanke dies ist, jedesmal, wenn sie mit dem Surfbrett ins Wasser geht. Haiangriffe sind seltener als Flugzeugabstürze, sagt Veit, dem das maritime Getümmel keine Sorgen bereitet, aber allein die theoretische Anwesenheit der Biester löst schon Unwohlsein bei Anne aus.

Nach 10 Tagen sind wir zurück in Sydney. Pünktlich zur Wagenübergabe hört das Motorlämpchen auf zu leuchten, das uns die ganze Fahrt über begleitet hat.

Unser Fazit: Australien kann man machen, aber es hat uns nicht so umgehauen, wie Neuseeland (was zugegebenermaßen auch nicht ganz so einfach ist). Es macht zudem auf nem schmalen Pfennig nicht so viel Spaß, weil man auf sehr vieles verzichten muss. Alles ist etwas abgerockt, aber man findet an jedem Strand ne kostenfreie kalte Dusche und ein Klo mit Klopapier.
Der Surf allerdings ist nicht umsonst legendär. Irgendwo geht immer was und die Chance, im Wasser auf Delfine zu stoßen ist groß. Man braucht allerdings ein Auto (am besten 4×4) um an Spots zu gelangen, die nicht heillos mit anderen Surfern überfüllt sind. Beim nächsten Mal würden wir natürlich noch mehr erkunden, z.B. die Süd- und Westküste, mehr Zeit und Geld vorausgesetzt und eine Einwegautomiete erwägen, mit einem Inlandhinflug.

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