16.04.2013

Ankunft in Pleasantville

2.4.-9.4.2013

Es gab da mal einen Film namens „Pleasantville“. Der handelte von einer perfekten, sauberen, sicheren, konfliktfreien, amerikanischen Kleinstadt mit seinen stets freundlichen Bürgern. So fühlen wir uns nach unserer Landung in Neuseeland. Bereits die Menschen vom Zoll am Flughafen sind sehr freundlich, auch wenn der Einreiseprozess geschlagene 2 Stunden in Anspruch nimmt, weil Anne eine Muschel aus Chile mitbringt, die Veit ihr geschenkt hat und deshalb die Kontrollorgane von Neuseeland auf den Plan ruft.

Der Flughafen von Auckland hat ein öffentliches Telefon, mit dem man kostenfrei lokale Anrufe tätigen kann. Das tun wir und werden daraufhin von unserer Mietwagenfirma Jucy Rentals abgeholt und in deren Flughafenfiliale gebracht, wo uns ein Taxi gerufen wird, das uns in die Stadtfiliale bringt. Die kurze Wartezeit am Flughafen nutzen wir, uns etwa 10kg kostenfreie Tourismusbroschüren und Straßenkarten über Neuseelands Nordinsel mitzunehmen, die am Ausgang bereitliegen.

Wir mieten uns einen Campervan für 14 Tage. Neuseeland ohne Campen wäre nämlich nahezu blasphemisch. Wir hatten im Internet bei Jucy einen Wagen entdeckt, der die Größe eines Kombis hat, innen aber mit zwei zu einer fast 2m x 1,20m großen Liegefläche umzubauenden Sitzbänken, einem Klapptisch, DVD Player, Kühlschrank, Gasplatte und Waschbecken ausgestattet ist, sowie voll verdunkelnden Rollos. Gesehen, verliebt, reserviert. Als wir das Auto abholen, stellen wir fest, dass es noch toller ist, als geglaubt. Wir bekommen 2 Kissen, ne große Bettdecke, Bettwäsche, Geschirr, Besteck, Handtücher und 2 Campingklappstühle mit Getränkehalter dazu. Und das alles für den Preis von 41,- € pro Nacht inkl. Vollkaskoversicherung. Das empfinden wir als Schnäppchen und schlagen zu.

Neuseelands Straßen werden zu 50% von Campervans und Wohnmobilen befahren, meistens sind es VW Crafter oder T5 artige Gefährte, je nach Mietpreis in mehr oder weniger gepflegtem Zustand (Mietwagen/Campervan/Wohnmobilverleihe gibt’s wie Sand am Meer. Das scheint uns neben Holzanbau die größte Industrie hier zu sein). Diese Busse haben den Vorteil, völlig unabhängig von fließend Wasser und öffentlichen Toiletten an der Straße stehen zu dürfen. Das darf unser super Auto nicht, da wir keinen Abwassertank haben. Aber wir sind trotzdem sehr zufrieden mit unserer Wahl, denn schließlich gibt es überall Campingplätze, die uns nach der ersten Nacht für 18,- NZD pro Person allerdings etwas zu teuer sind!

Nach dem ersten Großeinkauf in der günstigsten Supermarktkette Pack’n’Save sind wir nicht nur überfordert von dem wahnsinnig umfangreichen Angebot (es gibt u.a. ein 4m langes Nussregal mit vielen verschiedenen, selbstverständlich geknackten Nüssen und diversesten Sorten Trockenfrüchten; die Wursttheke ist mindestens 5m lang; es gibt richtige Brotlaibe, sogar dunkel; die Käse- und Hummusbrotaufstrichauswahl ist himmlisch) sondern auch geplättet von den stolzen Preisen und sind dennoch glücklich mit dem Wagen voller Leckereien unterwegs zu sein.

Wir erkunden zuerst den nördlichsten Teil der Nordinsel, erstes Ziel ist Ahipara in der Shipwrecksbay. Hier bekommt Veit am nächsten Tag eines der besten Surferlebnisse seines Lebens (super linker Pointbreak und endlich 2,5m hohe Wellen!) – die Materialmiete von 70,- NZD für ein Brett und einen Wetsuit ist jedoch gepfeffert und führt dazu, dass er sich am Folgetag ein Brett kauft, mit dem wir dann abwechselnd beide fahren können. Im SSV kaufen wir uns noch für je 10,- Euro kurzärmelige Neoprenanzüge (das Wasser ist mit 20 Grad zwar relativ warm, aber der Wind lässt einen schon mal auskühlen).

Jetzt ist Herbst hier, aber wir haben Glück. Der lange trockene Sommer zieht seine Ausläufer hinter sich her. Wir haben fast ausschließlich Sonne, manchmal auch ein paar kurze Schauer, die immer durch nen Regenbogen angekündigt werden. Natürlich. Soviele Regenbögen wie hier in 7 Tagen haben wir Zuhause in den letzten drei Jahren nicht gesehen (damit der heile-Welt-Kitsch noch ne extra Portion Schmalz bekommt). Wir sehen unberuehrte Straende mit goldenem Sand, schoene Sonnenuntergaenge und viele Schmetterlinge, fehlt nur noch, dass Bambi um die Ecke kommt.

Wir übernachten an wunderschönen, türkis-blau-grünen Buchten mit weissem Sand, surfen, fahren von einem orgiastischen „oh, ah, wie schön“ zum nächsten und freuen uns jeden Tag auf’s Neue, hier zu sein. 

Die Orte sind allesamt relativ klein und ähneln einander in der Bauweise. Neuseeland hat ja insgesamt nur 4 Mio. Einwohner verteilt auf zwei Hauptinseln, da braucht es keine Megastädte. Es gibt nur Eigenheime und die haben dezent bunte Hausfassaden aus Holz. Auf der Hauptstraße reihen sich die Geschäfte aneinander. Neben den großen Ketten gibt es auch viele kleine, süße Läden, die regionale Produkte verkaufen. Alles ist hübsch und geschmackvoll dekoriert. Das Angebot der vielen Cafés ist verlockend mit warmen Muffins, Karamellschnitten, Schoko-Nuss-Kuchen, selbstgemachten Marmeladen und herzhaften Kleinigkeiten im Wohnzimmerambiente.

Wenn es einen Ort gibt, an dem wir uns zu leben vorstellen könnten, dann hier in Neuseeland. Aber 17.000 km Entfernung bis nach Hause und das doch recht kostspielige Leben hier sind schlagende Argumente, dies wohl erst wieder für unser Rentenalter in Erwägung zu ziehen (sofern wir uns das mit den Minirenten unserer Generation ueberhaupt werden leisten koennen…dann lieber jetzt reisen!).

Ein Bootsausflug in der Bay of Islands führt uns zu einer großen Gruppe Delfinen, mit denen Veit und andere Passagiere sogar schwimmen gehen (kostet ja nur 15,- NZD extra zu dem Gesamtausflugspreis von 95,- NZD). Orca-Wale zeigen sich leider nicht, obwohl hier in der Gegend immer welche sind – naja, man kann ja schließlich nicht alles haben :-).

Die Tierwelt an Land ist ein Paradies für Ornitologen, selbst uns begeistern die Piepmätze mitunter. Erholsam nach 6 Monaten voller streunender Hunde ist, dass es hier erstens keine Streuner gibt und zweitens sowieso wenig Hunde. Dafür umso mehr Possums, 70 Millionen Exemplare aus Australien importierten Tiere sind eine Pest und zerstören die Flora und Fauna des Landes. Es ist daher Bürgerpflicht, sie zu überfahren, wenn einem eins vors Auto läuft. Anne kriegt das natürlich nicht hin als uns eines im Halbdunkel auf der Straße begegnet, sondern bremst und freut sich des Anblicks des putzigen kleinen Nagers mit dem Puschelschwanz.

Den Nationalvogel, den nachtaktiven, flugunfähigen „Kiwi“ sehen wir nicht.
Kiwi ist übrigens auch die Bezeichnung für die menschlichen Einwohner Neuseelands, die sich seit „Herr der Ringe“ schon auch mal als „Hobbits“ und ihr Land als „Mittelerde“ bezeichnen. Die bei uns bekannte Frucht heißt hier „kiwi fruit“ – bitte immer schön mit diesem Zusatz betiteln, sonst ist der gemeinhin sehr freundliche Neuseeländer zutiefst beleidigt.

Weitere Aktivitäten beinhalten den Besuch eines 1.200 Jahre alten Kauribaumes (davon war die Insel mal voll, bis die Europäer landeten und fast alles platt machten ), Schnorcheln, Höhlen anschauen, im Sand buddeln an einem vulkanischen Strandabschnitt an dem heißes Wasser aus der Erde fließt und das Meerwasser erwärmt sowie ein bisschen historisches Sightseeing (bei einer nur 170-jährigen Besiedlungsgeschichte hält sich das aber in Grenzen, die Maorigeschichte werden wir hoffentlich am Ende der Reise noch erleben).

Wenn man sich in einer solchen Welt nicht an die Regeln hält, wird man hart bestraft. Das bekommen wir zu spüren, als wir erwischt werden beim Wildcampen (wir standen auf nem Parkplatz in der Nähe einer der vielen öffentlichen und selbstverständlich immer mit Klopapier und Seife ausgestatteten Klohäuschen und hatten nicht mal Dreck verursacht. Aber alles freundliche, tränendrüsige Argumentieren half nicht, die 200,- NZD wurden fällig. Hätten wir die Höhe der Strafe vorher gewusst, wären wir das Risiko wohl nicht eingegangen. Das ist auf jeden Fall ne wirksame Strafe, ab jetzt nur noch Campingplätze…).

Unsere Route führt uns von Northland über die Bay of Islands, die Halbinsel Coromandel nach Raglan, wo wir Greg besuchen werden, einen ehemaligen Kollegen von Anne. Nach 7 Tagen und 1.800 zumeist sehr kurvenreichen Kilometern Neusseland freuen wir uns auf ein bisschen Chill-Out und fühlen uns in dieser irgendwie auch spießigen Umgebung pudelwohl (ups, wir werden wohl älter…).

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