1.04.2013

Heidi is back

12.3.-17.3.2013

Von Mendoza aus geht es für mich in einer Übernachtfahrt nach Bariloche. Die Landschaft ist kurzzeitig mal bei Neuquén interessant, hier gibt es einen sehr schönen Sonnenaufgang. Wir sind mittlerweile nur noch drei Passagiere im doppelstöckigen Reisebus. Ein Argentinier, ein Belgier und ich. Die Hochsaison für Patagonien ist anscheinend vorbei. Durch den Argentinier erfahre ich, dass die deutschen Einwanderer nach dem Krieg in Bariloche an einer Atombombe geforscht haben und das Atomzentrum bis heute besteht. Na super, tolles Vermächtnis. Tatsache ist, dass Präsident Perón, der Mann von Evita, zigtausenden Nazi(forschern) ein neues Zuhause geboten hat im Austausch für deren (Atom)Waffen-Know-How.
Mit solchen Gedanken fahre ich also stundenlang durch dröge Gebirge, die aussehen, als läge viel Erdöl und/oder -Gas darunter, was mir durch die vielen Tanklastwagen auf dem Weg auch bestätigt wird. Erst etwa 150 km vor Bariloche wird dann die Landschaft allmählich interessanter. Bis hier hin reichen die großen patagonischen Gewässer. Kurz vor Bariloche gibt’s dann auch wieder Pflanzen. Eine Wohltat fürs Auge, dieses satte Grün. Ich freue mich schon auf das, was da noch kommt. Und werde nicht enttäuscht. Einen Eindruck konnte ich ja schon von Veits Fotos bekommen, aber in natura ist alles noch viel schöner. Berge, Seen, rustikale Häuser aus Holz, hausgemachte Schokolade an jeder Ecke … ich fühle mich wie in der Schweiz! (Und ich mag die Schweiz ja gerne, wie sich diejenigen unter euch vielleicht erinnern, die damals meine Abenteuer als von der Aussenwelt fast abgeschlossene „Heidi“ in den Schweizer Winterbergen gelesen haben.)

Ich steige im selben Hostel ab wie Veit vor ein paar Wochen, allerdings zahle ich 10 Pesos weniger pro Nacht als er, denn es ist ja schon Nebensaison.

Ich wandere auf den Berg Cerro Campamiento und lasse mich von der atemberaubenden Aussicht berauschen. Rundherum riesige Seen mit stahlblauem Wasser und grünen Inseln. Wahnsinn. Aus der Nähe schaue ich mir einige der Seen auf der anschließenden Fahrradtour (Verleih: Cordillera Bikes, 90,- Pesos/Tag) an. Bergab, bergauf. Mit Pausen 5 Stunden lang (ohne Stop hätten die 30 km wohl nur 3h gedauert, aber die Pausen mache ich nicht vor Erschöpfung, sondern um die wunderschöne Umgebung in mich aufzusaugen.) Mich beeindruckt ein Bussard, der bis auf einen Meter an mich herankommt, weil er mein Picknickbrot haben will. Bei soviel Wagemut muss ich ihm natürlich was abgeben.
Ich raste an einsamen Stränden, passiere türkisfarbene Ufer, Bambuswälder, das teuerste und bekannteste Hotel Argentiniens (Llao Llao) und lege meinen letzten Stop in der Mikro-Brauerei „Berlina“ (Berlinerin) ein. Die liegt kurz vor dem hübschen Dörfchen Colonia Suiza. Gestartet als lokale Kleinstbrauerei vor etwa 15 Jahren hat das Bier solch eine Beliebtheit gewonnen, dass es nun im ganzen Land vetrieben wird. Der beste Kumpel des Eigentümers steht hinter der Bar (beide müssen so ungefähr mein Alter haben) und auf meine Aussage hin, dass ich tatsächlich eine „Berlina“ sei, kriege ich mein großes Bier umsonst und wir unterhalten uns ne ganze Weile. Er erzählt mir von uralten Schleichwegen nach Chile durch die patagonische Wildnis und von den Anfängen der Brauerei.
Beflügelt von dem ganz leckeren Bier setze ich meine Fahrt fort und bin in kurzer Zeit wieder beim Fahrradverleih, beeindruckt von der Natur und von der Bauweise der Dörfer. Viel Holz und Naturstein. Rustikal-hübsch. Eine Wanderung zu einem kleinen Wasserfall führt mich am nächsten Tag durch Villa Los Coihues, deren Häuser am See Lago Gutierrez mich nahezu neidisch machen. Wieder einer dieser glasklaren, riesigen Bergseen. Das ist einfach wunderschön hier. Scheinbar wird auch etwas mehr auf Umweltschutz geachtet in dieser Gegend: es gibt zum Beispiel keine Plastiktüten im Supermarkt. Man muss seinen eigenen Beutel mitbringen oder einen Stoffbeutel kaufen. Es ist auch kein Dreck und Müll zu sehen, der achtlos in der Gegend herumliegt. Eine Wohltat fürs Gewissen und Wohlbefinden.

Meine patagonische Entdeckungsreise setze ich in El Bolson fort, wo ich im Hostel Casa del árbol für 80,- Pesos inkl. Frühstück unterkomme. El Bolson gilt als Hippieort. Das zeigt sich an der Integration verschiedener alternativer Heilzentren in den touristischen Ortsplan und auf dem Wochenmarkt, wo viel Selbstgemachtes verkauft wird (Schmuck, Kosmetik, Marmelade, Bier). Hier gefällt es mir fast besser als in San Marcos, weil die sog. Hippies hier Erwachsene sind, die sich seit Jahrzehnten mit alternativen Lebensweisen beschäftigen und ihre Erfüllung nicht ausschließlich im Jonglieren und Trommeln finden. Man sieht hier einige schneebedeckte Bergspitzen und Gletscherzungen in der Ferne, was dem Ganzen einen noch romantischeren Anblick gibt.
Ich mache eine mehrstündige Wanderung durch de Natur und genieße die Aussicht auf Berge, stahlblaue Flüsse, Wasserfälle. Die Felsformationen Cabeza del Indio (Indianerkopf) übersehe ich, weil ich von dem halsbrecherischen Trampelpfad abgelenkt bin, der max. 60 cm breit ist und an einer Seite ohne Geländer steil in die Tiefe abfällt. Als ich nach mehreren Stunden wieder auf der Hauptstraße ankomme, muss ich irgendwann doch trampen, weil meine Knie mir dieses ungewohnte Laufpensum über Stock und Stein nicht weiter ermöglichen wollen.
Da bin ich wohl doch keine echte Heidi… Aber immerhin eine, die fröhlich singend allein durch die Berglandschaft gewandert ist und dabei festgestellt hat, dass von den Volksliedern aus meiner Kindheit nicht mehr viel Text und Melodie hängen geblieben ist. Bis zum Ortskern sind’s nur noch 5 Fahrtminuten und ich werde sofort mitgenommen. Trampen ist hier eine ziemlich gewöhnliche Angelegenheit. Ich habe auf meiner Reise durch Argentinien mehrere Mädels getroffen, die durch Patagonien auch über lange Distanzen größtenteils getrampt sind.

Als Belohnung für meine körperliche Anstrengung gönne ich mir eine anderthalbstündige Shiatsumassage. Das ist wohl die beste Massage, die ich je bekommen habe. Der Typ trifft alle „wunden Punkte“. Danach bin ich megaentspannt und freue mich schon auf Asien, wo ich mir hoffentlich öfter mal ne Massage leisten kann.
Das war’s auch schon mit meinem Patagonien-Besuch. Begeistert von der Schönheit hier fahre ich nun über Bariloche nach Osorno in Chile, wo ich einen Anschlussbus nach Valparaiso zu bekommen hoffe, um mich mit Veit zu treffen, damit wir nach insgesamt fast 6 Wochen allein reisen nun wieder zusammen weiterziehen.

Leider kann ich euch gerade keine Bilder zur Verfügung stellen, da seit dem Hackerangriff auf diese Domain sich einige Features verändert haben und das Hochladen von Bilder gerade irgendwie nicht funktioniert. Vielleicht klappts mit nem klassischen Betriebssustem – hier habe ich Ubuntu, das geht erstmal nicht.. Ich bleibe dran…

Die Kommentare sind geschlossen.

Kategorien

Admin | Reiseblog anlegen | Plane Deine eigene Weltreise