14.03.2013

Amor und Bacchus

5.3.-11.3.2013

Anne erreicht Mendoza an einem Dienstagmorgen. Sie checkt im Hostel Mora (85,- Pesos im Dorm) ein, das ihr von anderen Reisenden empfohlen worden ist. Hier gibt es einen kleinen Patio und mehrere vom Hostel angebotene, zum Teil kostenfreie Aktivitäten (Matékurs, Weinverkostungskurs, Empanadakurs, Asado…). Jede Übernachtung beinhaltet ein Glas Wein umsonst, denn wir sind ja schließlich in einer der Weinhauptstädte der Welt. Das Frühstück ist ziemlich gut für ein Hostel: es gibt original französische Crêpes, jeden Morgen frisch zubereitet, gekochte Eier, die landestypischen, megasüßen Croissants, Brötchen, Biscoche (ein typisch argentinisches Frühstücksgebäck), Marmelade, Dulce de Leche, Kaffee, Tee und Kakao. Und nicht zu vergessen die frische Wassermelone und die Cornflakes.

Dieses leckere Frühstück darf man sogar schon am Anreisetag nutzen. Die ersten Stunden bis das Bett beziehbar ist, verbringt Anne an einem der öffentlichen Computer, die sich neben der Rezeption befinden und lädt Fotos hoch und bearbeitet den Blog. Nebenbei unterhält sie sich mit Ramona, der deutschen Rezeptionistin aus Senftenberg, die seit 3 Jahren in Argentinien lebt.

Nach ca. 3 Stunden fragt Ramona: „Anne, bist du die Freundin von Veit?“ Etwa eine Sekunde lang verdüstert sich Annes Gesicht und mit vor Skepsis zusammengekniffenen Augen fragt sie sich: woher weiß die das? Es stellt sich heraus, dass Ramona jene ehemalige Arbeitskollegin von Veit ist, die er in Mendoza wieder treffen wollte. Gerade hatte er ihr eine Nachricht geschrieben, dass er ins Hostel Mora ziehen wird, wo seine Freundin bereits auf ihn wartet. Was für ein Zufall, dass Ramona ausgerechnet in diesem Hostel arbeitet und dann auch noch gerade Dienst hat, als Anne eincheckt! Immerhin gibt es 44 Hostels in Mendoza…

Veit’s planmäßige Ankunft soll am Mittwochmorgen stattfinden. Das Ticket für die Fahrt von Santiago aus ist gekauft. Die Strecke Santiago-Mendoza ist seit Wochen zum Teil nur einspurig befahrbar. Wegen Bauarbeiten, Erdrutschen oder was auch immer. Immerhin führt sie einmal über die Anden! Also fahren die Busse von Santiago spät nachmittags und abends, von Mendoza aus morgens und mittags. Als Veit um 23:00 Uhr voller Vorfreude in den Bus steigt, ist die Enttäuschung groß als es fünf Minuten später heißt, der Bus fährt nicht. Bitte alle Aussteigen und die Tickets auf den nächsten Tag umtauschen. Nicht nur, dass es jetzt noch länger dauert, bis wir uns wiedersehen, jetzt muss mitten in der Nacht in Santiago auch noch schnell ein Hostel gefunden und bezahlt werden. Zusammen mit der Taxifahrt eine ungeplante Ausgabe, aber immerhin ist das Hostel Bellavista für 9000,- chilenische Pesos (15,- Eur) nett und unterstützenswürdig, weil es in seinem Stadtteil gegen die uns Berlinern ja nur allzu bekannte Gentrifizierung ankämpft.

Am Folgetag kann Veit sein Ticket für einen Reisebus um 23:00 Uhr noch gegen ein Ticket für einen Minibus um 17:00 Uhr tauschen. Geplante Ankunftszeit in Mendoza: kurz nach Mitternacht. Anne erfährt unterdessen im Hostel, dass die 17:00-Uhr-Busse nie pünktlich ankommen und vor 2:30 Uhr nachts nicht mit Veit zu rechnen sei. Quälend beengende Stunden ziehen für Veit ins Land, Stau und eine Grenzwartezeit von 3,5 Stunden lassen die Fahrt unaufhörlich erscheinen, während Anne sich die Zeit damit vertreibt, potentielle Mitfahrer für eine Automiete zu finden, um in den nächsten Tagen einen Ausflug machen zu können. Außerdem lernt sie, wie man Wein verkostet – kann ja nicht schaden, das wird hier in Mendoza noch häufiger gebraucht.

Es ist halb fünf am Donnerstagmorgen, als Veit kaputt und müde im Hostel aufschlägt. Nach vier Wochen Alleinreisen und der abschließenden Anreiseodyssee ist die Wiedersehensfreude bei uns beiden sehr groß und könnte in einem Hollywood-Kitschfilm der Kategorie „romantische Komödie“ Verwendung finden.

Donnerstagabend sehen wir uns auf dem Dach des Stadtratsgebäudes „Música y Vino“ an, eine von der Stadt organisierte, kostenfreie Veranstaltung, bei der heute Tangomusik gespielt wird (ohne Tanz) und dazu ein Glas Wein ausgeschenkt wird. Das alles vor der schönen Kulisse der Anden im Hintergrund. Eine tolle Marketingidee der Stadt, die nicht nur von Touristen, sondern auch von Einheimischen sehr gut angenommen wird. Anschließend erfahren wir von Ramona und einer ihrer Freundinnen, die hier ein eigenes Hostel besitzt, wie sehr die Arbeitsmoral der Argentinier hinter europäischen Ansprüchen zurückbleibt. Kein Wunder bei folgendem geltenden Recht: ist ein Arbeitnehmer mehr als 3 Monate bei einem Arbeitgeber angestellt, wird er unkündbar. Selbst, wenn er anschließend seine Arbeit schlecht macht, sie verweigert oder gar stiehlt, wird der Arbeitgeber ihn entweder gar nicht oder nur unter hohen Kosten mit Gerichtsverfahren und Pipapo los. Na warum sollte man da sich auch anstrengen, wenn’s einem so einfach gemacht wird…

Unser Ausflug mit der Leipzigerin Sabrina und dem Norwegischen Pärchen Camilla und Anders führt uns zum höchsten Berg jenseits des Himalaya: den Berg Aconcagua mit 6.969m. Diesen bestaunen wir von einem Aussichtspunkt, bei dem wir selbst bereits auf 3.000 m stehen. Die Spitze bleibt unter den Wolken verdeckt, aber beeindruckend ist es allemal.

Wir passieren das Uspallata-Tal, in dem der Film „7 Jahre Tibet“ gedreht wurde (jaja, der wurde nämlich gar nicht in Tibet gedreht!) und sehen die Puente del Inca, eine ehemalig als Thermalbad benutzte natürliche Brücke. Schön ist’s mit all den mineralischen Farben hier.

Anschließend gibt’s in Mendoza eine öffentliche Weinprobe im Rahmen des Weltfrauentags, anlässlich dessen viele Mendocinas auf eine Bühne gehieft werden, einen Blumenstrauß erhalten und wieder abgehen dürfen. Furchtbare bzw. gar keine Dramaturgie, aber der Wein schmeckt gut, wenngleich er den unvorteilhaften Namen „Turista“ trägt (Touristenwein).

Am nächsten Tag geht’s auf Fahrradtour durch das Weinanbaugebiet Lujan, bei der wir zwei Weingüter und einen Likörladen aufsuchen. Dazu nimmt man den Stadtbus nach Lujan und leiht sich dort ein Rad (möglichst mit Vorreservierung). Wir hätten gern noch ein weiteres Weingut besucht, aber daran hindert uns der Busfahrer, der auf Annes Winken an der Bushaltestelle in Mendoza hin freundlich zurück winkt und weiterfährt ohne anzuhalten und uns somit ne halbe Stunde stiehlt… Das Weingut Via Monte produziert im kleinen Stil als Familienbetrieb, das Weingut Alta Vista produziert auch für den Weltmarkt. Die Weine sind allesamt einfach zu trinken, nett gemacht für den internationalen Gaumen. Nicht schwer, nicht staubtrocken, wenig speziell. „Solide“ ist vielleicht eine ganz gute Beschreibung.

Abends ziehen wir noch in DIE Ausgehstraße Mendozas („Arisitides Villanueva“) und mischen uns mit Ramona und Sabrina unters heimische und touristische Volk.

Bevor wir uns das nächste Mal wieder melden (nach Mendoza geht’s für Veit zurück nach Chile und für Anne nach Patagonien) hier noch ein paar Anekdoten aus der Kategorie: „die Welt ist ein Dorf“: Auf der Aussichtsplattform zum Aconcagua trifft Veit einen Mexikaner, den er in Bariloche kennengelernt hat. Im Hostel Mora trifft Veit einen Deutschen, den er in Pucón (Chile) kennengelernt hat und der auch eine weitere von Veit’s Reisebekanntschaften aus Pichilemu (Chile) kennt. Neben Sabrina setzt sich in der Ausgehstraße in Mendoza, in der aus zig Bars gibt, eine Leipzigerin, die sie aus der Uni kennt.

Und noch ein nützlicher Tipp für die Argentinienreisenden unter euch: glaubt mal nicht, dass ihr hier am Bankschalter Bargeld bekommt (es sei denn, ihr habt ein argentinisches Konto). Lasst euch lieber nicht die Karte sperren oder klauen, sonst wird’s nervig hier (zumal bei einer Schalteröffnungszeit von Mo-Fr., 8-13h). Bargeldtausch auf dem Schwarzmarkt ist allerdings total lukrativ, wenn man US-Dollar mitbringt…

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