26.02.2013

Gletscher und Geplätscher

Veit, 13.02.-23.02.2013

Ab Puerto Madryn geht’s nach El Calafate im Nationalpark Los Glaciares, der zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Wieder fahre ich mit dem Bus, wobei ich in Rio Gallegos umsteigen muss. Viele andere Reisende reisen ab hier nach Ushuaia weiter, laut Tourismusmarketing dem Ende der Welt („Fin de Mundo“) am südlichsten Zipfel Argentiniens, das zu Feuerland gehört. Bis dort sind es jedoch nochmals 12 Stunden (und zurück auch…) und mir ist nicht danach dorthin zu fahren, nur um ein Foto vor einem Schild zu machen oder mir ein T-Shirt zu kaufen.

Also steige ich, nachdem ich die erste 17-stündige Etappe schadlos überstanden habe, ab Rio Gallegos nach El Calafate um. Auf den entsprechenden Anschlussbus muss ich nochmals 3 Stunden warten, der vorherige war bereits ausgebucht. Auf der Strecke werden wir mal wieder von der Polizei angehalten. An mir geht dieses Mal der Kelch der Leibesvisitation vorüber, ein anderer Passagier hat jedoch keine gültigen Papiere dabei, wodurch sich die Weiterfahrt 1,5 Stunden verzögert und der Bus nicht nach 3 sondern erst nach 4,5 Stunden sein Ziel erreicht. 24,5 Stunden nach meiner Abreise in Puerto Madryn.

In El Calafate kann man viele Touren zum Wandern, Mountainbiken und Eisklettern buchen. Hauptattraktion bei El Calafate ist der Perito Moreno Gletscher. Ich buche eine Tour dorthin über mein Hostal del Glaciar für 200 Pesos (umgerechnet 30 EUR), hinzu kommt der Einritt in den Nationalpark für 100 Pesos (15 EUR), was zusammen das 1,5-fache meines für die Gesamtweltreise veranschlagten durchschnittlichen Tagesbudgets von 30 € ergibt. Argentinien ist teuer  (im Vergleich mit den vorherigen Ländern), das wussten wir vorher, dennoch windet man sich. Vor uns liegen noch Chile, Neuseeland und Australien, wo das Reisen auch nicht gerade günstiger wird. Hinten raus muss in Südostasien die Kohle wieder reingeholt werden.

Die Tour zum Gletscher Perito Moreno beinhaltet die 80 km lange Anfahrt eine dreiviertelstündige Wanderung und einen Guide. Die Führerin ist sehr engagiert und erzählt uns viel über die Landschaft, die Historie der Besiedlung Patagoniens, die Flora und Fauna sowie natürlich den Gletscher. Leider ist es während der Wanderung kalt und regnerisch, wodurch meine Gruppe und ich weniger mit Landschaftsbewunderung, sondern eher mit Quatschen beschäftigt sind. Meine argentinische Sitznachbarin aus dem Bus bietet mir heißen Matetee an, den ich, nach dem Wandern etwas durchgefroren, gerne annehme.

Im Gegensatz zu den meisten Gletschern der Region und der Welt wächst der Perito-Moreno-Gletscher noch. Durch das ständige Vorrücken seiner bis zu 50 km langen Gletscherzunge blockiert er alle vier bis zehn Jahre einen Nebenarm des Lago Argentino. Durch den steigenden Wasserspiegel bricht dann der vordere Teil des Gletschers auf spektakuläre Weise in sich zusammen. Im Sommer (also jetzt) zieht sich der Gletscher wieder etwas zurück, sieht dafür aber schön blau aus – wie ein riesiger Blue Curacao Cocktail auf Eis.

Zur Bewunderung des Gletschers wurden in 80 Meter Entfernung zur Gletscherkante Balkone und befestigte Wege in den Hang gebaut, die einen wunderbaren Blick auf diesen und Spaziergänge zulassen. Wir nutzen die Zeit von 3 Stunden für viele Fotos und lauschen dem stetigen Knacken des arbeitenden, kalbenden Gletschers. Am Ende haben wir sogar Glück, und sehen eine etwa 50 Meter hohe Wand in den See rauschen, wodurch eine meterhohe Flutwelle entsteht (ich frage mich natürlich ob diese surfbar wäre…).

Die zweite Nacht verbringe ich im benachbarten günstigeren Hostal (Namen habe ich vergessen). Das kostet nur 35 anstatt 105 Pesos(!) ist aber dafür ganz schön runtergekommen. In den günstigsten Hostels trifft man erfahrungsgemäß meistens Israelis. Viele von ihnen haben gerade ihren 3-jährigen Militärdienst hinter sich oder sie versuchen sich durch Reisen davor zu drücken. Auffällig ist die Tatsache, dass sie bevorzugt in Gruppen unter sich bleiben und es permanent nach Gras riecht.

Nach El Calafate geht es für mich nach Bariloche, Argentiniens bekanntem Wander- und Wintersportort im Nationalpark Nahuel Huapi. Laut Google-Routenplaner sind es „nur“ 11 Stunden dorthin. Leider ist die direkte Route nur über Tour-Anbieter buchbar, verbunden mit einer Übernachtung auf dem Weg. Zudem wäre sie erst in 3 Tagen verfügbar und wäre teurer. Also entscheide ich mich für die indirekte Route, für die ich einen Umweg des Busses über Rio Gallegos in Kauf nehmen muss. 905 Pesos (umgerechnet 137 EUR) kostet die Fahrt (Aua…), schlappe 27 Stunden bin ich unterwegs – man kann sich also noch steigern…

Auf dem Weg wird es immerhin langsam grüner, Balsam für die Augen. Zwischendurch fliegen Pelikane über uns hinweg. Der Ort Bariloche selbst hat architektonisch nicht viel zu bieten, der Touristenboom in den siebziger und achtziger Jahren hat viele hässliche Betonbauten entstehen lassen. Dennoch sind hier viele Gebäude im Alpenstil gebaut, wodurch man sich an Bayern, Österreich und die Schweiz erinnert fühlt. Es gibt Hotels wie das „Edelweiss“ und Bars wie „Zum Tiroler“ sowie jede Menge Bierbrauereien (u.a. „Berlina“), die neben Pils und Honigbier sogar Kölsch auf der Getränkekarte haben. Auch bekommt man dunkles Brot (kommt ja nie ganz ungelegen), Sauerkraut, Gulasch mit Spätzle und Apfelstrudel. Der deutsche Einfluss zeugt von der Einwanderung vieler Deutscher Ende des vorletzten Jahrhunderts und vieler Nazis nach dem 2. Weltkrieg.

Die Umgebung Bariloches, die mit seinen Hügeln (Cerros), Bergen, Seen und Wäldern mich wieder stark an die Schweiz erinnert, kann der Outdoor-Fan züchtigen und loslassen. Das heißt auf Neudeutsch Raften, Biken, Paragliden, Kayaken, Hiken (im Winter kommen Ski- und Snowboarden dazu). Ich entscheide mich für letzteres und wandere ohne teuren Guide (ja, es gibt noch Natur für umsonst) einen 5-stündigen Rundweg ab dem Cerro Catedral Richtung dem Refugio Frey, einer Wanderhütte. Vor dem Refugio biege ich in Richtung Lago Gutierrez ab, wo ich am Playa Munoz und an einem kleinen Wasserfall jeweils eine kurze Pause einlege.

Mit dem Bus fahre ich zum Cerro Campario, einem Aussichtspunkt. Auf diesen gelangt man aber Bushaltestelle mit der Seilbahn oder hochwandern (klar, wofür ich mich entscheide). Von Aussichtspunkt hat man einen wunderbaren Blick auf die unzähligen, wunderschön blauen, teilweise türkis schimmernden, glasklaren Seen in der Umgebung. Ich bleibe 2 Stunden und gönne mir einen Cafecito und einen Apfelstrudel (und er schmeckt!).

An einem weiteren Tag in Bariloche unternehme ich mit zwei Bekanntschaften aus meinem Hostel Periko’s, Ben aus Frankfurt und Martin aus der Schweiz, eine 25 km lange Radtour, ins Gebiet Lllao Llao, inklusive Strand- und Biergartenstopp.

Nach Bariloche reise ich weiter nach San Martin de los Andes, wieder mit dem Bus (die Fahrt dauert geradezu lächerliche 4 Stunden). Hier geht es etwas ruhiger zu als in Bariloche, während es dort etwas nobler ist, übt man sich in San Martin in Bodenständigkeit. Mich erinnert die Kleinstadt an Punxsutawney aus dem Film „Täglich grüßt das Murmeltier“. Nur, dass ich mich im Sommer nicht davor fürchten muss, vom Schneegestöber überrascht zu werden und in dem Ort steckenzubleiben. Hübsch zum Steckenbleiben ist es aber schon.

Ben und ich machen am ersten Tag hier einen kurzen Ausflug zu einem weiteren Aussichtspunkt und gehen schwimmen an einem Strand des Lago Lacar mit glasklarem Wasser, das erstaunlicherweise gar nicht so kalt ist.

Weil‘s so schön war, entscheiden wir uns am zweiten Tag für eine weitere Mountainbike-Tour. Unser Ziel, der „Lago Escondido“ hat aber leider seinen Namen zum Programm, wir finden trotz intensiver Suche und Nachfragens bei Einheimischen nicht die entsprechende Abzweigung dorthin. Dadurch, dass es an diesem Tag nass und regnerisch ist und die Tour aufgrund unserer Odyssee mehrstündiges, unfreiwillige Extra-Bergauffahren beinhaltet (was mit den zugegeben tollen Giant-Montainbikes mit Scheibenbremsen und Federung irgendwie doch keinen Spaß macht), geben wir irgendwann auf und fahren früher zurück. Immerhin geht es am Ende schön bergab. Umso intensiver wird abends gefeiert, mit Ben, zwei Argentinierinnen und einem Amerikaner gehen wir auf ein oder zwei Bier in einen hiesige Bar und einen Club. Vor 1 Uhr nachts geht nix, entsprechend bin ich erst um 6 Uhr im Bett (Frühstück gibt es bis 10 Uhr…).

San Martin bildet meinen vorläufigen Abschluss in Argentinien, weiter geht’s nach Pucón in Chile, wo ich eine Vulkanbesteigung machen will und dann an den Pazifik zum von mir sehnsuchtsvoll erwartenden Surf.

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