19.02.2013

Das Tor nach Patagonien

Veit, 08.02.-13.02.2013

Mit dem Bus geht es Richtung Puerto Madryn, einem Hafenort an der Atlantikküste. Offenbar ein bisschen naiv (oder entspannt aufgrund meiner vorherigen Buserfahrungen) gehe ich in Buenos Aires zum Busterminal und möchte ein Ticket lösen. Es ist 18:00 Uhr am Freitagabend und das riesige Terminal proppenvoll mit Wochenendreisenden. Ups, ich habe nicht vorgebucht (war bislang halt nie nötig…) und frage nache einem Ticket für einen der 20:00 Uhr Busse, die ich vorher im Internet recherchiert hatte. An den ersten beiden Schaltern nach Puerto Madryn werde ich beinahe ausgelacht, die Busse seien längst ausgebucht und erst am Sonntag gäbe es wieder Plätze. Fast finde ich mich bereits damit ab, zwei weitere Tage in B.A. verbringen zu müssen, doch am dritten Schalter habe ich letztlich doch noch Glück (das ja bekanntlich mit „die“ Doofen ist) und ergattere ein Ticket für den gleichen Abend, wenn auch erst um 23:15 Uhr. Zeit spielt ja keine Rolle, also warte ich 5 Stunden auf den Bus, der mich dann in weiteren 18 Stunden (…also quasi argentinische Kurzstrecke) an mein Ziel bringen soll.

Mein Sitznachbar im Bus ist Diego (in einer bestimmten Generation heißen hier offenbar alle Männer so), der seit 10 Jahren selbstgemachten Schmuck auf den Straßen der Touristenorte verkauft. Während er an seinen nächsten Armbändern werkelt, quatschen wir ein wenig und ich kann mal wieder mein Spanisch etwas aufbessern. Als jedoch der Familienpapa vor uns in unsere Konversation einsteigt, bin ich angesichts des von nun an wieder arg ins argentinisch kippende Spanisch schnell raus aus der Unterhaltung. Dafür darf ich, immerzu freundlich lächelnd und nickend, ein wenig Matetee mitschlürfen.

Die Landschaft im Osten Patagoniens ist eintönig. Über Stunden, nein Tage, bleibt die Natur unverändert: karg, flach, braun-beige-grau mit Büschen. Und je weiter man Richtung Süden fährt, desto windiger wird es. Der Bus schlingert das eine oder andere Mal deutlich auf der relativ schmalen, immer geradeaus gehenden Straße.

Kurz vor dem Ziel wird der Bus von der Polizei angehalten, diese führt, wie ich feststellen werde, häufig Kontrollen durch, auf der Suche nach illegalen Einwanderen und Drogen. Alle Passagiere müssen ihre Ausweise vorzeigen. Ein Drogenhund schnüffelt durch den Bus und landet, wie soll es anders sein, auf dem Schoß meines Kompagnons. Folge: Diego, ich und ein weiterer Glückspilz werden durchsucht. Wir müssen im Stationsbüro unsere Hosentaschen leeren und sämtliche Gepäckstücke ausladen. Nach einer halben Stunde ist aber alles vorbei (nix gefunden oder verdammt gut versteckt) und wir dürfen mit dem Bus weiterfahren unter Applaus unserer wartenden Mitreisenden.

Puerto Madryn lebt von seiner Aluminiumfabrik (die unter anderem Teile für deutsche Autohersteller produziert) und vom Tourismus. Bekannt ist der Ort für die Besichtigung der zahlreichen Tierwelt, vor allem der Wale, die in der brandungsfreien Bucht der Halbinsel Valdes, ihre Jungen gebären. Es gibt wohl nur wenige Orte, wo man den Walen so nahe kommen kann wie hier, unter anderen sind Kajaktouren zu den Walen buchbar.

Dumm nur, dass die Wale bereits weg sind, die Walsaison ist September bis Dezember. In Mexiko waren wir zu früh, hier bin ich zu spät dran. Allerdings gibt es ja noch die ansässigen Seelöwen, Seeelefanten (…ja, mit drei e), Delfine und Pinguine.

Eine Tour mache ich, jedoch nur zur Seelöwenkolonie von Punta Lomo und zwar mit dem Fahrrad. Organisierte Touren zu den anderen Tieren auf der Halbinsel Valdes sind nämlich relativ teuer und nachdem Anne und ich bereits auf den Galapagos-Inseln waren, fühle ich mich nicht danach, viel Geld auszugeben, um die Tiere von zum Teil mehreren Hundert Metern Entfernung beobachten zu können. Näher kommt man den Tieren nämlich häufig nicht, da viele Wege auf der Halbinsel im Sinne des Naturschutzes abgezäunt sind.

Auch Schnorcheln mit Seelöwen (waren wir ja auf Galapagagos  auch schon) und Delfintouren (ich bin schon mal in Australien mit Delfinen gesurft und eine 100%-Garantie auf Sichtung hat man nie) reizen mich nicht so sehr, dass ich dafür mein Tagesbudget weiter überbeziehe (sorry for beeing so borniert!). Einzig die Pinguine  (hier gibt es die größte Pinguinenkolonie mit 2 Millionen Exemplaren) jucken mich, angesichts meiner bevorstehenden Busreisekosten (die hier auch aufgrund der großen Distanzen wesentlich höher sind als bislang) in den nächsten 14 Tagen verkneife ich mir auch das und hoffe auf eine kostenlose Sichtung in Chile. Aber tolle Möglichkeiten sind das natürlich schon – also, falls Ihr mal hinkommt, bucht eine Tour!

Ich entscheide mich also ein wenig zu radeln. In meinem Hostel „Chepatagonia“ kann ich mir für 20 Pesos pro Stunde (80 Pesos pro Tag) ein Mountainbike ausleihen. Die Strecke führt an mehreren Naturstränden vorbei, wo Familien ihr Asado grillen und ihre Angel rauswerfen. Leider ist der Weg nicht asphaltiert, es ist eine trockene, sandige Schotterstraße und jedes Auto, das mir entgegenkommt oder mich überholt, staubt mich derart zu, dass ich bereits nach 20 Minuten aussehe wie ein Bäckergeselle. Das Strampeln ist anstrengend, an manchen Stellen ist der Untergrund derart sandig, dass ich schlingere oder komplett absteigen muss, weil ich im Sand nicht vorankomme. Dazu brennt die Sonne und ich habe Gegenwind.

Ich nehme es sportlich und gelange nach zwei Stunden für 15 km zu den Seelöwen, die man bereits 200 Meter vorher riechen kann. Ein Foto vom Aussichtspunkt (auch hier kommt man den Tieren nicht näher) und eine Banane später mache ich mich bereits wieder auf den Rückweg, der Dank Rückenwind eine dreiviertel Stunde kürzer ist. Was glücklich ist, da es sich wettermäßig zuzieht. Nachdem es vormittags supersonnig war, regnet es wenig später nach meiner Rückkehr wie aus Eimern – Willkommen in Patagonien. Der Regenguss ist so schwer, dass die Straßen im Ort überflutet werden und Gullis überlaufen. Nicht katastrophenmäßig aber immerhin so sehr, dass Autos und Fußgänger Mühe haben, weiter zu kommen.

Die nächsten zwei wiederum sonnigen Tage verbringe ich am Strand, der mich ein wenig an die Ostsee im Sommer erinnert, so wellenlos ist es hier. Ein Strand ohne Wellen macht mich als Wellenreiter immer etwas sentimental (und das hier ist der Atlantik!). Dennoch genieße ich lange Strandspaziergänge und ein wenig Relaxing. Das Fotoshooting der Teilnehmerinnen der jährlich stattfindenden „Bikini Open“ gibt es obendrauf, ein kleiner Ausgleich zum Samba-Karneval, den ich hier im karnevalsfreien Patagonien leider verpasse.

Den Abschluss bildet ein Asado-Abend im Hostel, bei dem ich mit Argentiniern (ein Diego ist natürlich auch dabei), Belgiern, Engländern und einem volltätowieren Amerikaner (der vor ein paar Jahren sein Hobby zum Beruf gemacht hat und vom Finanz- auf Weinberater umgesattelt ist, was mich nachdenklich macht) einen entsprechend bunten Abend erlebe.

Weiter geht es nach El Calafate, im Glacier National Park – 24 Stunden mit dem Bus. Ist ja quasi ein Katzensprung…

 

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