7.01.2013

Ecuador Superior!

23.12.12-4.1.13

„Vergesst Neuseeland, Ecuador ist das neue Reiseziel, das man gesehen haben muss.“ So sagt es Veit, als wir in Baños, einem Andenort etwa 3 Stunden südlich von Quito ankommen.

Quito

Aber fangen wir von vorn an: nach unserem Galapagoserlebnis verbringen wir die Weihnachtstage in Quito. Auf 2.800 m Höhe geht uns in den ersten beiden Tagen ganz schön die Pumpe – ein Glück, dass wir mit Reisebeginn im Oktober aufgehört haben zu rauchen. Die Altstadt ist sehr schön mit vielen, prunkvollen Kirchen, in die die Menschen anlässlich des Weihnachtsfestes Jesuspuppen bringen. Unser Stadtspaziergang beinhaltet auch den atem(be)raubenden Aufstieg auf die Basilica, von der aus man einen schönen Blick über die Stadt und die umgebenden Berge und Vulkane hat bzw. haben könnte, denn es ist bedeckt und die Wolken lassen keinen Blick auf den Cotopaxi zu, dem höchsten Vulkan des Landes. Wir werden auf unserer Ecuadorreise wohl die einzigen Touristen bleiben, die keinen einzigen der vielen, mehr als 5.000 m hohen Vulkane zu Gesicht bekommen. Sie sind einfach immer von Wolken verhangen.

Heiligabend verbringen wir mit einem Haufen anderer Touristen in einem der wenigen offenen Restaurants der Neustadt, im Viertel Mariscal, und lassen uns internationale Küche schmecken. Die ecuadorianische Weihnachtsbäckerei, frittierter Teig mit Zimthonig, hatten wir tagsüber bereits probiert. Am ersten Weihnachtstag geht’s per Bus zur Mitte der Welt, wie der Äquator hier genannt wird. Der ist nur 22 km von Quito entfernt. Als beliebtes Ausflugsziel vor allem auch einheimischer Familien steht dort ein Denkmal mit einem Restaurant- und Souvenirdorf drum herum. Auf dem Platz spielt eine Live-Band traditionelle ecuadorianische Musik. Es gibt (Achtung liebe Eltern, lasst dies eure Kinder nicht lesen) gegrillte Meerschweinchen am Spieß, die wir allerdings verschmähen und uns lieber für Hamburger und Empanadas (gefüllte Teigtaschen) entscheiden. Die Rückfahrt dauert 2,5 Stunden, auch Quito hat – wie alle Großstädte auf unserer Reise – ein Verkehrsproblem (mal abgesehen davon, dass wir umsteigen müssen und erst nach mehrfachem Fragen und Suchen die richtige Bushaltestelle finden).

Latacunga

Nach 3 Nächten in Quito geht es nach Latacunga, den Anden etwa eine Stunde in südlicher Richtung folgend. Hier besuchen wir einen großen Wochenmarkt in Saquisilí und wandern anschließend bei Zumbahua die Laguna de Quilotoa herunter. Das ist ein Kratersee, der auf 4.000m liegt. Die 200 Höhenmeter nach unten in den Krater zu laufen, geht ja noch, aber das alles auch wieder hochzulaufen in einem gefühlten Neigungswinkel von 80 Grad, ist schon echt anstrengend und dauert mehr als eine Stunde. (Das liegt ganz sicher nur an der Höhe und nicht an unserer körperlichen Fitness ;-). Wir hätten uns unten auch Pferde mieten können für den Aufstieg, aber wir tun es lieber den indigenen Pferdeführern gleich und laufen. Die Laguna ist ein Ort, in dem das Lächeln der Einwohner niemals aus deren Gesichtern zu verschwinden scheint. Die EU hat Gelder investiert, um hier eine touristische Infrastruktur zu schaffen – eine sinnvolle Investition, denn es läuft. Die Einheimischen indigenen Ursprungs haben die Chance ergriffen, bedienen die touristischen Bedürfnisse sehr gut und haben somit ein gutes Einkommen. Schön zu sehen, dass so etwas funktionieren kann.

Als Individualtourist wie wir es sind, muss man von Latacunga mit dem Bus nach Zumbahua und von dort mit einem Einheimischen im Pick Up noch mal 20 Minuten den Berg hoch. Für den Rückweg finden wir keinen Pick Up, der Akku von Veit’s iPhone mit der Handynummer unseres Hinfahrers hat sich leider während der Tour verabschiedet. So kommt es, dass wir unvermittelt Teil einer deutschen Reisegruppe werden, in deren Tourbus wir bis fast nach Latacunga zurück mitfahren können. Ein lustiger Zufall und eine willkommene Abwechslung für die Reisegruppe (glauben wir zu bemerken).

Baños

In unserem 10 Jahre alten Reiseführer wird eine spektakuläre Zugfahrt von Riobamba nach Alausi empfohlen, die wir als nächste Etappe machen wollen. (Anne hätte 2006, als sie ihn kaufte, nicht gedacht, dass es noch weitere 6 Jahre dauert, bis sie diesen Reiseführer nutzen kann. Jetzt stand er nun mal im Bücherregal, also sollte er auch genutzt werden. Aber ist alt…). Glücklicherweise hat der schlaue Fuchs Veit noch mal im Internet recherchiert, wann der Zug fährt und dabei festgestellt, dass er gar nicht mehr fährt. Jedenfalls nicht so und nicht die Strecke wie vor 10 Jahren. Der Sturm El Niño hat’s versaut und dazu geführt, dass das gesamte Streckennetz modernisiert werden musste und ausgerechnet in den Tagen unserer geplanten Nutzung eingeweiht wird – vom Präsidenten des Landes höchstpersönlich. Das heißt: kein öffentlicher Zugverkehr. Das wiederum heißt: Planänderung für uns. Also, ab nach Baños.

In Baños, das seinen Namen vermutlich wegen diverser heißer Quellen und Wasserfall-Pools in der Umgebung hat, überrascht uns derart positiv, dass wir unseren anschließend geplanten Aufenthalt in Cuenca um einen Tag nach hinten verschieben. Unser Hostal Olguita kostet nur 16,- USD pro Nacht im DZ mit eigener Warmwasserdusche und liegt direkt am zentralen Dorfplatz, was will man mehr… Wir treffen in Baños auf ein Paradies für Fans des Outdoor-Sports. Vom Mountainbiken über Abseilen im Wasserfall, River Rafting, Paragliding,  Canopy, Motocross, Bungee Jumping bis hin zu allen erdenklichen Wellness-und Dschungel-Touren kann man hier alles machen. Und all das in wunderschönster Bergkulisse. Jedes zweite Haus ist ein Hostel, es gibt Restaurants und Bars, die regionale und internationale Küche anbieten. Zur Krönung des Ganzen gibt es ein Bäckerei-Café, das Vollkornbrot verkauft! Nach 2,5 Monaten Weißbrot oder Maisfladen schießen uns bei dem Gedanken an echtes Vollkornbrot fast die Tränen in die Augen. Es schmeckt sogar ganz gut und ist definitiv das nahrhafteste Brot, dass wir bisher gegessen haben. Nach einem ersten Wandergang von 2 Stunden auf die umliegenden Berge gönnt sich Anne eine Massage. Bei 20,- USD für 1 Stunde Behandlung kann sie einfach nicht widerstehen.

Am nächsten Tag unternehmen wir eine Mountainbiketour (5,- USD Leihgebühr p.P. für einen ganzen Tag). Hauptsächlich geht’s auf asphaltierter Straße bergab, vorbei an vielen Wasserfällen, einem sprechenden Papagei und diversen Greifvögeln. Ein herrlicher Tag, an dessen Ende wir dann doch noch etwas Vulkan mitbekommen. Der Tungurahua, ein seit 1999 aktiver Vulkan, der erst vor 2 Wochen zu Evakuierungen in Baños geführt hat, spuckt kleine Aschewolken in die Luft. Der Vulkan selbst ist durch Wolken verdeckt (wir sehen ihn also wieder nicht), aber über den Wolken erkennt man ganz deutlich die Asche.

Natürlich lassen wir uns auch das Spektakel „heiße Quellen“ nicht entgehen und mischen uns abends unter die vielen Einheimischen, für die der Besuch des Thermalbades in der Nähe des örtlichen Wasserfalles scheinbar zu einer regelmäßigen Aktivität gehört. Stinkt zwar ein bisschen hier (ist halt mineralhaltiges, trübes Wasser), aber hat auch was, sich wechselweise vom heißen Vulkanwasser unter den kalten Wasserfall zu stellen. Und gesund soll es ja auch sein.

Cuenca

Der Weg von Baños nach Cuenca ist kurvenreich. Wir bewegen uns ja immer noch in den Anden, die bei Baños Ähnlichkeit mit den Alpen haben. Wir passieren kleinere und größere Dörfer, sehen vereinzelte Siedlungen und ganz viele Felder, die, auf krassen Berghängen gelegen, noch von Menschenhand bestellt werden. Kühe scheinen hier ein glückliches Leben zu führen. Schweine nicht so, denn die hängen zumeist tot und ausgeweidet zum Verkauf in einer Tienda am Straßenrand.

Es ist bedeckt und unsere Fahrt führt uns über Stunden durch Wolkenfelder, die sich zwischen den Bergen gefangen haben. Wenn unser Busfahrer bei einer Sichtweite von 5 Metern nicht versuchen würde, Geschwindigkeitsrekorde aufzustellen und Überholmanöver auf der Serpentinenstrecke zu starten, wäre es fast romantisch. Da ihr diesen Bericht jetzt aber lesen könnt, heißt das, wir haben auch diese Fahrt unbeschadet überlebt.

Als wir durch das Land fahren, fällt uns auf, dass es einen großen Unterschied gibt zwischen unserem bauästhetischen Empfinden und dem der Ecuadorianer. Die meisten Dorfhäuser sehen nur halbfertig aus (bei 9 von 10 gucken noch die Stahlstreben der Betonpfeiler aus dem Dach). Eine Bauabnahme scheint es hier nicht zu geben und Putz oder gar Farbe für die Häuser ist offenbar auch überbewertet. So wirken die Dörfer stets ein wenig grau und trist. Aber wenn hier auch noch hübsch gebaut würde, wäre das Land fast zu schön, um wahr zu sein…

Silvester begehen wir in Cuenca, einer hübschen Kolonialstadt. Die Ecuadorianer basteln seit Tagen lebensgroße Papierpuppen, die sie mit Gesichtern von Menschen anmalen, die sie im letzten Jahr besonders genervt haben (Politker, Chefs, Nachbarn …). Es entstehen teilweise richtig große Gebilde in den Straßen der Altstadt von Cuenca. Um Mitternacht werden alle Puppen angezündet und verbrannt. Somit ist der schlechte Geist des vergangenen Jahres getorben und das neue Jahr kann unbelastet beginnen. Das heißt, um Mitternacht brennen die Straßen der Stadt. Beeindruckend ist das und ein Wunder, dass nur die Puppen brennen und nicht auch Häuser und Autos. (Wir lassen uns sagen, dass es schon häufig zu Unfällen kommt…) Außerdem werden wie bei uns Raketen in die Luft geschossen und diverse Knallkörper abgefeuert. Am nächsten Morgen ist alles picobello aufgeräumt. Keine Spur mehr von den Verwüstungen der Nacht. Liebe Stadt Berlin, das wäre doch mal ein Ziel, oder?

Montañita

Und dann fahren wir an die Küste. Hier ereilt uns ein Schock, denn was wir hier sehen, entspricht eher unser Erwartung an Afghanistan oder dem Gazastreifen als an irgendetwas südamerikanisches. Die Menschen leben in Bretterbuden auf kargem, staubigem Land. Kein Grashalm ist hier zu sehen, nur vereinzelt Bäume oder Sträucher in der Nähe der Dörfer. Es ist dreckig und unordentlich und arm, arm, arm. Wir können es kaum glauben. Unser Ziel, der Küstenort Montañita, entpuppt sich als klischeemäßig hochentwickeltes Surferparadies mit Hostels, Restaurants, Bars, Surfshops, Schmuck- und Nippes-Ständen… Ganz nett, aber auch unendlich voll mit (hauptsächlich argentinischen) jungen Touristen. Die Einheimischen leben hier trotzdem im Dreck. Wenn wir Blicke in deren Wohnräume erhaschen können (direkt neben Hostels, Tante Emma Läden, Wäscherein), überkommt uns das Grauen: dunkel, karg, lieblos, wahllos, arm. Dass hier im Dorf die Masse der Einheimischen arm sein soll, ist bei den Shop-, Hostel- und Restaurantpreisen nicht zu glauben und auch nicht zu verstehen, denn vergleichsweise muss hier doch überdurchschnittlich viel Geld verdient werden können.

Es herrscht eine Grashüpfer-Plage, die nach Einbruch der Dunkelheit ekelerregende Ausmaße annimmt. So finden wir eines Morgens etwa 20 braune Grillen unter unserem Bett.  Die Viecher gleichen eher Kakerlaken als Grillen und sind einfach überall. Anne kauft Kakerlakentötungsspray und kriegt jetzt schon Panik vor Asien, wo man ja angeblich selbst am saubersten Ort Kakerlaken antrifft. Sauber ist Montañita wahrlich nicht. Es müffelt und am Strand wie im Dorf liegt viel Müll einfach herum. Die Flussmündungen sind eine Kloake. Furchtbar. Der Surf ist ok, aber nicht grandios. Das kann er aber bestimmt sein, wenn die Swellbedingungen stimmen. Wir hätten gern andere Küstenorte wie Las Tunas oder Ayambe besucht, sie sind kleiner und man entgeht dem Surfer-Touristress (auch die Nordküste um Canoa soll schön sein). Aber alle verfügbaren Unterkünfte in dieser absoluten Hochsaison sind deutlich über unserem Budget. Daher landeten wir in Montañita. Nochmals würden wir hier nicht herkommen.

Fazit: Insgesamt ist Ecuador ist der Hammer, hier hat man alles: von der Küste (surfbar, nicht nur dort, wo wir waren!) über die Berge bis hin zum Amazonasdschungel und deren indigenen Dörfern. Und alles ist unglaublich gut und günstig bereisbar (mit Abstrichen an der Küste im Dez./Januar). Alles, was man bezüglich Outdoorsport immer mal machen wollte, kann man hier machen. Auch die Städte sind sehenswert, wo wir nirgends ein unsicheres Gefühl hatten. Die Menschen sind sehr nett und hilfsbereit.

Ecuador ist für uns auf jeden Fall „superior“ und äußerst empfehlenswert.

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