22.11.2012

Guatemala

Wir waren nun also in Guatemala, einem Land, das seine Innenpolitik seit Jahrhunderten nicht auf die Reihe kriegt und von einer korrupten Regierung zur nächsten schlittert. Scheinbar muss man hier, um Politiker zu werden, erst durch diverse Mafiaschulen gelaufen sein. Unser Lonely Planet sagt, dass die Guatemalteken ihre Probleme und Agressionen meistens für sich behalten (außer in Guatelmala City) und man als Tourist gar nichts davon mitkriegt. Recht hat er, der Reiseführer. Für uns ist alles sicher, auch wenn wir das erst glauben, als wir das Land verlassen.

Als erstes fällt uns auf, dass ein Umweltbewusstsein nicht unbedingt in den Köpfen der Einwohner verankert ist. Man schmeißt Müll gerne mal aus dem Fenster eines fahrenden Busses. Überall sieht man abgeladenen Müll am Straßenrand und auch in jedem Stück wunderbarster Natur. Da schreit unsere Umweltseele auf. Auf der anderen Seite entwickelt sich hier gerade ziemlich stark Bio-Landwirtschaft, es gibt sogar Ökomärkte in einigen Wochen Abstand voneinander. Fair Trade Kaffeeanbau scheint auch ein großes Thema zu sein – oder eines, dass sich gut bei den Touristen platzieren lässt, das finden wir nicht heraus. Es scheint Bemühungen zu geben, ein Umweltbewusstsein zu schaffen, denn wir lesen Aufrufe, den Müll der Müllabfuhr zu geben (so diese denn durch die engen Straßen der Ortschaten überhaupt durchkommt) und hin und wieder sehen wir (offenbar nicht genutzte) Mülltrennungsmülleimer auf den Straßen.

Die ersten Tage verbringen wir in San Pedro La Laguna am Vulkansee Lago Atitlan, nachdem wir von Quetzaltenango am Morgen des Erdbebens mit dem Hühnerbus hierher gefahren waren. Ein beschauliches Dörfchen, mit vielen westlichen Einflüssen. Hier gibt es alles an Restaurants, die man sich vorstellen kann. Die meisten werden von Westlern betrieben, aber mit einheimischen Arbeitskräften unterhalten. Auch dieser Ort ist hippie-esk und sehr schön dabei. Und günstig. Wir wohnen im Hotel Pinocchio für 9,- Eur pro Nacht im Doppelzimmer mit eigenem Bad und Warmwasser. Das Hotel wird von Einheimischen betrieben, ob es ihnen gehört – keine Ahnung, aber es macht den Eindruck. Hier arbeitet man mit einem Ausflugsanbieter zusammen, der der indigenen Bevölkerung gehört und 25 Familien finanziell unterstützt. Logisch, dass wir unseren Ausflug hier buchen und wenigstens so unseren Beitrag zur wirtschaftlichen Stärkung dieser Bevölkerungsgruppe beitragen. Voluntärsarbeit kann man hier und vor allem in den umliegenden Dörfern natürlich auch leisten, außerdem wäre da noch die Hilfe für die Opfer des Erdbebens in der Grenzregion… die Liste ist endlos und hin und wieder kommt so ein Anflug von „da muss man doch helfen können“, aber in den touristischen Regionen hilft man am besten damit, dass man touristische Angebote in Anspruch nimmt und darauf achtet, dass Einheimsche davon profitieren und nicht ausschließlich ausländische Investoren. Wie zum Beispiel die junge Indigena, die gerade hebräisch lernt und uns an ihrem Saftstand (frisch gepresst und seeeeehr lecker) akzentfrei auf deutsch begrüßt.

Frauen tragen hier übrigens alle traditionelle Kleidung – und haben mitunter ein Smartphone am Ohr. Für uns eine schöne Verbindung von Tradition und Moderne.

Die Lage des Ortes zwischen endlos vielen Vulkanen veranlasst uns, einen der Vulkane zu erklimmen. Mit Taschenlampen und sämtlicher dicker Kleidung bewaffnet beginnen wir um 4:00 morgens die Tour mit einer Fahrt im voll besetzten Chicken Bus, der die Einheimischen mit ihren Frischwaren zum nächstgrößeren Ort zum Markt bringt. Das ganze Dach ist voller Avocados. Echt irre. Der Aufstieg auf den inaktiven Vulkan „Nariz del Indio“ dauert etwa eine halbe Stunde. dann steht man da auf dem Gipfel der Welt und schaut den Sonnenaufgang über dem See an. Müdigkeit, Kälte (auf 3000m) und Anstrengung sind vergessen, es ist fast zum Heulen schön.

San Pedro hält uns 3 Tage lang, dann geht’s weiter. Wir verlassen diese Parallelwelt, die viel zu gut läuft, um das echte, arme Guatemala zu sein, in Richtung Antigua mit einem Shuttle-Van, der uns direkt hinbringt. Die Straße vom See bis zur Nationalstraße ist abteuerlich – ums mal vorsichtig zu beschreiben. Schlaglöcher mit Durchmessern von 1 m und einer Tiefe von 50 cm gibt es mehr als asphaltierte Strecken. Bäche laufen über die Serpentinen, der wir ca. 1,5 Stunden folgen. Die Kurven sind teilweise zu eng für die großen Busse, die aber trotzdem auf diesen Straßen fahren, also wird mitten am Berg rangiert – man tut gut daran, nicht über die Höhe des Abgrundes nachzudenken, der sich unterhalb des Busfensters unter einem auftut. Und dann die Überraschung: eine nigelnagelneue 4-spurige Schnellstraße bringt uns in nullkommanichts nach Antigua.

Die ehemalige Hauptstadt begeistert uns. Auch hier sind wir von Vulkanen umgeben, die seismologische Aktivität der Region hat im 18. Jh. dazu geführt, die Hauptstadt nach Gutemala City zu verlegen. Das riesige Erdbeben, dass dieser Entscheidung vorausging, zerstörte sehr viel in der Stadt. Geblieben sind die Ruinen, die neben den kolonialstädtischen 1- bis 2-stöckigen Häusern den Charme der Stadt ausmachen. Was wir hier an Patios und noblen Restaurants sehen, verschlägt uns den Atem. Doch der Westen hat hier Einzug gehalten. Coffeeshops à la Starbucks und jede Menge Fastfoodketten haben hier ihr guatemaltekisches Zentrum, wie es scheint. Dicke Autos sind auf den Straßen zu finden und die Menschen sind sog. Ladinos (ja, mit „d“, Mix aus den spanischen Eroberern und Indigenen) oder Weiße. Es gibt hier erstmals auf unser Reise so etwas wie Fettleibigkeit – unter den bisherigen Bevölkerungen, die oft hauptsächlich indigenen Urprungs waren, gab es das nicht. Nun gut, die guatelmaltekische Küche haut uns jetzt auch nicht so vom Hocker (auch wenn sie erstaunlicherweise nicht scharf ist), aber deshalb gleich auf Hamburger und Co. umsatteln? Hier ist das an der Tagesordnung.

Die Indigenen sind auch hier die ärmsten von allen. Sie verkaufen ihre Webwaren und Kunsthandverk und mehr als einmal müssen wir uns dolle zusammenreißen, nichts zu kaufen.

In der Nähe von Antigua besuchen wir die Finca de los Nietos, ein kleine private Kaffeeplantage, die nicht mehr als 800 Pfund Kaffee pro Jahr erntet. Nachdem der beste Kaffee der hiesigen Produktionen in Ausland verkauft wird und der hier erhältliche Kaffee irgendwie dünn ist und nicht so lecker wie man meinen würde, bekommen wir auf der Finca eine Tasse selbstgeernteten. Das ist natürlich etwas Besonderes, wenn auch dieser nicht mit dem Kaffee zuhause zu vergleichen ist. Die Menschen hier trinken übrigens seltenst Kaffee – den können sie sich schlichtweg nicht leisten. Wie absurd! Stattdessen wird hier hin und wieder löslicher Kaffee getrunken, der geht vom Preis her noch so halbwegs für die Leute.

Nach Antigua geht’s mit dem Nachtbus 1. Klasse nach Flores bei Tikal (eine der bedeutensten Mayastädte weltweit mit 4000 gefundenen Ruinen – von denen 80 Prozent noch unausgegraben sind). Die Klimaanlage im Bus (übrigens der einzige Nachtbus in Guatemala, den man als Tourist nehmen kann, alle anderen sind aus Sicherheitsgründen nicht zu empfehlen) wechselt in den 9 Stunden Fahrt von arktisch auf tropisch im Wechsel. Wenn Arktis, dann Düsenjet – so laut ist das Gebläse. 1. Klasse Guatemala ist nicht 1. Klasse Mexiko, so viel steht fest…

Flores ist hübsch gelegen auf einer Insel im Lago Peten Itza, die man innerhalb von 20 Minuten zu Fuß umrundet hat. Wir wohnen im Hostal Los Amigos, ein dschungelartig gebautes gemütliches Hostel (15,- EUR/pro Nacht für ein DZ mit Bad und Warmwasser). Tikal (15,- EUR Eintritt pro Person) ist vor allen Dingen deshalb beeindruckend, weil die Ruinenstadt enorm weitläufig ist. Wir nehmen uns erstmals einen Führer (5,- EUR pro Person bei 8 Pax), der uns nicht nur die Wege zeigt, sondern auch viel zu Tikal und der Mayakultur im Allgemeinen erzählt. Tikal ohne Führer macht keinen Sinn, mit einem ist es ganz sehenswert, auch wenn fast nichts vollständig ausgegraben ist. Das hat folgenden Nutzen, dass der Dschungel, die Ruinen schützt und erhält. Einmal ausgegraben sind sie zu witterungsanfällig und würden mehr zerstört als gerettet werden.

Spannend ist auch die Flora und Fauna hier. Wir treffen erstmals auf eine Tarantula. Anne, die diesen Tierchen ja eher abgeneigt ist, findet’s hier in der Wildnis gar nicht so schlimm, so lange einem jemand erzählt, dass diese Art weder springt noch giftig ist (und dass die tödliche Schwarze Witwe zwar hier im Dschungel lebt, aber selten gesichtet wird, was nur so semi beruhigend ist). Wir hören Brüllaffen (die sich anhören, als würde ein LKW vorbeifahren, Wahnsinn!) und sehen Klammeraffen, die uns genauso anstarren wie wir sie. Hier gibt es Kaugummibäume (aus denen heutzutage natürlich kein Kaugummi mehr gewonnen wird, wir hätten’s ja gern mal probiert), Mahagoni und Bäume, neben denen ein Mensch aussieht wie eine Ameise.

Guatemala hätte noch soviel mehr zu bieten, aber wir müssen ein bißchen auf unseren Reiseplan schauen und belassen es also bei diesen 3 Orten, in denen sich uns das Land von seiner besten Seite präsentiert hat. Konflikte und Gefahren sind weit weg, das einfache guatemaltekische Leben aber auch irgendwie. Die Mentaltiät der Menschen ist für uns nicht so zugänglich und verständlich, wie wir erwartet hätten und wir freuen uns schon, weiterzuziehen. Die nächste Etappe wird El Salvador, ein Direktshuttle wird uns von Antigua (wohin wir nach unserem 3-tägigen Tikal-Ausflug zurückgekehrt sind – diesmal mit dem Nachtbus Luxusklasse, das war besser!) nach El Tunco bringen.

Doch davon berichten wir beim nächsten Mal.

 

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