5.11.2012

Zwangspause im Paradies

Heute melden wir uns aus Zipolite, einem Hippiestranddörfchen im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca. Hier sind wir seit 4 Tagen und legen eine Zwangspause ein.

Zuvor hatten wir San Cristóbal mit dem Nachtbus in Richtung Puerto Escondido verlassen. Puerto Econdido ist als Surfspot bekannt. Unsere Unterkunft, Hostal 8 Venados, hatten wir auf Empfehlung eines Iren gebucht, den wir in San Cristóbal getroffen hatten. Die Hosteleigentümer sind wirklich sehr nett, aber ihre Unterkünfte sind ziemlich einfach und ein wenig abgerockt. Immerhin hatten wir einen funktionierenden Ventilator (es ist hier irre heiß!), einen Balkon, von dem aus man in der Ferne das Meer erspähen konnte und wir waren an der richtigen Stelle zum Surfen. Puerto Escondido besteht nämlich aus 2 Spots: La Punta (ein Point Break für Anfänger) und Zicatela (ein Beach Break für Könner und Profis). Man sagt, wenn in La Punta die Wellen schön sind, sind sie in Zicatela riesig. In den vier Tagen, die wir da waren, waren die Wellen weder in La Punta noch in Zicatela schön. Ziemlich flach (flat) oder alle Wellen waren Close Outs, d.h. sie steigen steil an und brechen abrupt in sich zusammen. Die Abstände zwischen den Sets dauerten ewig.  Unser Hostel lag in La Punta. Hier gibt es eine Sandstraße mit ein paar „Häusern“ drum herum, darunter noch einige andere Hostels. Außerdem gibt es Strandrestaurants und Imbissbuden (Bretterbuden, die Tacos verkaufen – Tacos sind handgroße Maisfladen mit irgendetwas drauf, wie Bohnenmus, Eisbergsalat, Käse, Hähnchen, Rindfleisch, Meeresfrüchte, Fisch. Alles ist hier etwas alternativ angehaucht und das Leben verläuft hier (wahrscheinlich aufgrund der stetigen Hitze!) ein wenig langsamer. Viele Gebäude sind unfertig (ohne, dass daran weiter gearbeitet wird), d.h. wenn sie aus Stein gebaut sind, gucken die Stahlstreben aus dem Dach und irgendwie wirkt alles etwas liederlich. Einige Dächer sind mit Palmwedeln gedeckt, das ist ganz schön. Wie überall in Mexico findet man viele Hängematten – wir können mittlerweile sehr gut verstehen, dass viele Einheimische in Hängematten übernachten. Die sind (bei der Hitze!) wenigstens luftig. Aber die Mücken sind für uns immer noch ein Grund, nicht draußen zu schlafen…

Am ersten Tag in La Punta leihen wir uns gleich Bretter aus und amüsieren uns in den kleinen Wellen. Veit kriegt einige Wellen, Anne kämpft mit ihrem Mini-Malibu Board (Yeah, das erste Mal kein Anfänger-Softbrett mehr) eher weniger erfolgreich. So richtig toll sind die Bedingungen nicht – und werden auch in den kommenden Tagen nicht besser. Normalerweise hat dieser Spot ziemlich hohe Wellen – zurzeit aber nicht  (typischer Surfklischee-Fall von „you should have been here yesterday….“). So kommt es zu faulen (heißen!) Strandtagen, auch in der benachbarten Bucht von Carrizalillo, etwa 10 Autominuten von Puerto Escondido entfernt. Hier treffen wir Achim, einen 77-jährigen Charlottenburger, der seit 52 Jahren in den USA in Seattle lebt und sichtlich erfreut ist, endlich mal wieder deutsch (bzw. berlinerisch …) zu sprechen. Er unterhält uns den gesamten Nachmittag lang mit seiner Lebensgeschichte, was aber nicht anstrengend ist. Die Bucht ist wunderschön und wir schwimmen im badewannenwarmen Pazifik herum! Auch hier gibt es palmengedeckte Holzhütten, die als Restaurants dienen. In Mexiko gibt es keine Schulpflicht, was dazu führt, das oftmals Kinder bereits bei Ihren Eltern arbeiten. So auch hier. Der etwa 12 Jährige Junge fragt uns alle 5 Minuten, ob wir noch etwas konsumieren möchten, wir liegen ja schließlich auf den Schattenliegen des Restaurants – und sind so ziemlich die einzigen Gäste in der Bucht. Außerhalb der Saison zu reisen hat was… Als wir dann endlich Essen bestellen, bringt er beide Gerichte falsch. Anne versteht den Jungen aber auch wirklich schlecht – vielleicht ist das umgekehrt genauso? Wie wir das schon mehrfach bei Kindern festgestellt haben: die sprechen total schnell und wissen gar nicht, was man meint, wenn man sie bittet, langsamer zu reden.

Bei der Hitze (sorry, man muss es nochmal erwähnen…!) freuen wir uns nach ein paar Tagen sogar über ein wenig bedecktes Wetter und ein paar wenigen Regentropfen – juchuu, endlich mal keine 50+ Sonnencreme auftragen, von der die erste Flasche nach 14 Tagen Mexiko auch schon alle ist…

Am Nachmittag des dritten Tages leiht sich Anne dann nochmal ein Surfbrett, diesmal ein Longboard. Für Veit sind die Bedingungen nach wie vor langweilig, also geht er ohne Board mit ins Wasser, um Anne ein paar Tipps und Tricks zu geben. Leider hilft das alles nichts, denn nach etwa einer Stunde verlässt Anne mit `nem Hexenschuss das Wasser. Sie ist wohl ein paarmal zu oft mit der Brettspitze eingetaucht…

Zwangspause. Eigentlich wollen nicht mehr lange in Puerto Escondido bleiben, hängen aber noch eine Nacht mehr als geplant dran, in der Hoffnung, dass Annes Rücken heilt. Tut er aber nicht. Trotzdem ziehen wir weiter, mit Ibuprofen und via „Hühnerbus“ nach Zipolite, das etwa 1,5 Stunden Fahrt entfernt liegt. Ein Hühnerbus heißt so, weil in ihm hauptsächlich Einheimische unterwegs sind, die alles mitnehmen, was sie von A nach B transportieren müssen: Eimerweise Lebensmittel, Tüten voller Sachen und auch lebende Tiere. In unserem Fall sitzt tatsächlich eine Familie mit einem Huhn in der Plastiktüte direkt vor uns. Gack Gack!

In Zipolite angekommen, fühlen wir uns direkt wohl. Von der Bushaltestelle in San Antonio (Zipolite ist nicht direkt angeschlossen) gönnen wir uns ein Taxi in den Ort, dessen Fahrer uns auch gleich zu einem Hotel seiner Wahl bringt, denn wir haben nichts vorgebucht. Wir schauen uns das Zimmer in der „Posada Brisa Marina“ an und nehmen es erst mal. Es ist direkt am Meer, unser Zimmer hat einen Balkon zum Meer – traumhaft. Eine Nacht hier buchen wir erstmal und gucken dann, ob wir noch etwas finden, wo das Bad etwas sauberer ist und das vielleicht noch etwas schöner ist. Einige Stunden später wissen wir: die Brisa Marina ist vergleichsweise ein Schloss, denn alle anderen Unterkünfte, die wir uns ansahen, waren teurer und oft auch schlechter (vor allem bei Betrachtung der sanitären Anlagen juckte bereits die Herpeslippe…). Natürlich gibt es auch noch schönere Unterkünfte hier, die liegen dann aber doch außerhalb unseres Budgets.

Zipolite – seit den 70ern bekannt als Hippiekommune und passenderweise einer der wenigen Nacktbadestrände –  ist süß, mit vielen palmbedeckten Bretterbuden, die als Cafés, Bars, Restaurants oder Wohnhütten am Strand dienen. In den Straßen hängt ewig der Duft von Marihuana. Minikinos zeigen (wer hätte es gedacht) The Big Lebowski, Pulp Fiction und Einer flog über’s Kuckucksnest. Wird man angesprochen, ob man eine Ausflugstour buchen möchte, ist die letzte Frage immer, ob man denn nicht wenigstens Drogen kaufen möchte (Weed, Cocaine, Mescaline, Opium…). Woll‘n wa nich. Ne Tour wäre bestimmt schön, aber Anne kann sich leider noch immer nicht gut bewegen und mit einem Boot zu fahren, das immer zu aufs Wasser aufknallt, wäre wohl keine gute Hexenschusstherapie. Cool wäre es, wenn Veit surfen könnte, aber die Wellen sind auch hier zurzeit nicht sonderlich verlockend. Flach und Close Out, wie in Puerto Escondido. Gestern Nachmittag ging’s dann aber doch mal – Yippie!

Am 1. und 2.11. sind in Mexico die Dia de los Muertos, die wichtigsten Feiertage. Abends versammeln sich die Familien auf dem Friedhof an den Gräbern ihrer Verstorbenen. Dort wird gepicknickt, getanzt, gelacht und getrunken. Der Brauch sagt, die Toten kommen an diesen Tagen zu den Hinterbliebenen zu Besuch und kehren nach der Feier wieder in ihr Grab zurück. Damit sie den Weg nach Hause finden, wird vor jedem Haus ein Altar aufgebaut, mit Kerzen, orangenen Blumen, Heiligenbildern und der Lieblingsspeise oder den Lieblingszigaretten des Verstorbenen. Die Altare haben wir gesehen, auf dem Friedhof waren wir nicht.

In Zipolite findet dieses Jahr erstmalig ein Karneval statt, ein Volksfest mit Rummel (Kirmes) und verschiedenen Bühnen am Strand und im Ort. Ein Fest des Staunens für jeden Eventgestalter, -planer, -techniker: ungesicherte Bühnengerüst (Rigging)-Arbeiten, ein zu niedrig angebrachter manueller Lichtspot (Verfolger), dessen Bediener permanent seine Einsätze verpasst. Eine Dramaturgie, bei der die einzelnen Tanzperformances (die an sich gar nicht so schlecht sind) je 30 Minuten dauern und von lähmenden 20 Minuten Umbaupause unterbrochen werden. Eine bekiffte Ska-Straßenband (deren Sänger nicht singen kann), die die leidenschaftliche Altherren-Akustikband auf der 10 Meter entfernten Stadtbühne übertönt…Lustig zu beobachten, besonders auch, wie entspannt die Leute damit umgehen… Wirklich befremdlich fanden wir nur den Hitler-O-Ton vor einer Tanzsequenz, gefolgt von Fliegeralarmsirenengeheul, gefolgt von Boney M’s Song „Rasputin“, der choreografisch im Stechschritt endet, gefolgt von noch einem Hitler O-Ton. Das passte irgendwie so gar nicht zur restlichen Performance, aber wir waren wohl die einzigen, die fast fassungslos auf die Bühne gestarrt haben. Den Mexikanern war’s wohl egal.

Ok, das war’s aus Mexiko. Drückt uns die Daumen, dass wir die anstehende Grenzüberquerung nach Guatemala und das Reisen in Guatemala weiterhin heil überstehen. Übermorgen geht’s los. Mit oder ohne Hexenschuss…

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